?? schreeg 12 april 2002 in Abendzeitung

Der gute Mensch von Utrecht

Entertainer mit Wohlfühl-Faktor: Herman van Veen in München



Abendzeitung, 12. April 2002: Kritik Nein, er will nicht einfach. Wenn schon, dann sehnt sich Herman van Veen ganz einfühlsam. Nach einer "Pipi-Pause" zum Beispiel. Wer Wohlfühl-Lieder mit diesem unverschämt hohen Geborgenheitsfaktor singt, der erklärt sich und geht nicht einfach von der Bühne. Erst recht nicht am Schluss, wenn das Deutsche Theater Kopf steht und niemand ein Ende akzeptieren möchte.

Schließlich ist Herman über Stunden ganz nah bei seinen Fans, scheint jeden persönlich zu kennen. Die milde lächelnde Mittvierzigerin mit Knautsch-Teddy am Rucksack wie den grauen Business-Mann, der heut' endlich wieder träumen darf. "Hab' ich schon erzählt, dass ich Opa geworden bin?" Ach, sag.

Zärtliche Gefühle für den kleinen Schatz

Ja, das Programm richtet sich an jeden Einzelnen - "Was ich dir singen wollte". Das sind Balladen von der Mutter, die keine Bleibe hat, vom Depressiven, der sich längst umbringen wollte, vom "Kleinen Schatz" und vielen zärtlichen Gefühlen. Dazu Pazifistisches - van Veen bleibt sich treu. Doch der gute Mensch von Utrecht ist vor allem auch Entertainer. Ob er nun wie ein Riverdancer auf der Stelle hüpft, sich zum zärtlichen Liebeslied eine Unterhose über den Kopf zieht, das Becken im obszönen Balz-Rhythmus schwingt oder die große Oper verhohnepipelt. Saukomisch ist das - bis zum bitteren Schenkelklopfen. Etwa bei Kalauern der Marke "Walther von der Vögelweide" oder dem üblichen Gepimmel. Verklemmt, was ist das? Klamauk trifft seelenvolle Poesie - ganz ohne Berührungsängste, versteht sich. Alles scheint der 57-Jährige mit bezwingender Leichtigkeit aus den kategorisch geöffneten Hemdsärmeln zu schütteln. Nur manchmal wird's langatmig. Doch dann kommt schnell wieder ein Gag samt Glimmer-Konfetti. Oder die Band übernimmt kurzerhand die Show, denn Herman ist natürlich ein demokratischer.

Auch seine Crew gehört ins Rampenlicht - und brilliert nicht zu knapp. Dauer-Klavierbegleiter Erik van der Wurff mit seinen butterweichen Läufen genau so wie das fesche Damen-Trio, das sich mit Hingabe um Gitarre, Percussion und Geige kümmert. Nicht selten ist das die Rettung, denn Gaukler-Herman will uns schon sehr in seinen Clownerien wiegen.