Oda Rose-Oertel schreef 11 dezember 2001 in de Lubecker Nachrichten

Herman van Veen in der Lübecker MuK begeistert gefeiert



Lübeck - "Was ich dir singen wollte" ist der lapidare Titel seiner Tournee. Doch Herman van Veen singt nicht einfach. Er spielt auch Geige, er macht Witze, er erzählt Geschichten, er zaubert und verzaubert - der Niederländer ist ein begnadeter Performer. Und das Publikum liebt ihn. Am Sonnabend feierten die Zuschauer in der ausverkauften Lübecker MuK ihren Herman mehr als zweieinhalb Stunden lang; acht Zugaben mussten es sein. Es war wie eine Liebesaffäre zwischen Künstler und Publikum.

"Was ich dir singen wollte" ist auch der Titel der neuen CD, die in Zusammenarbeit mit zehn weiteren Musikern entstanden ist. Fünf von ihnen standen in Lübeck mit auf der Bühne. Erik van der Wurff (Klavier), Edith Leerkes (Gitarre), Jann (Geige), Thomas Dirks (Kontrabass) und Wieke Garcia (Percussion, Harfe, galizischer Dudelsack, Drehleier) sind mehr als nur Begleiter eines Stars. Sie treten gleichberechtigt neben ihm auf, entfalten ihre Persönlichkeiten während der Show, haben große Auftritte. Und stehen Herman van Veen an Charme nichts nach. Verblüffend, wie die junge Wieke Garcia überall Rhythmus herausholt - da reichen ein Kasten und zwei Hände, mehr braucht sie nicht, um teuflische Trommelpower zu entzünden. Die barfüßige Edith Leerkes mit der schwarzen Lockenmähne ist eine Meisterin der klassischen Gitarre. Und die attraktive Blondine Jann, die Herman ständig anflirtet, besticht durch elegantes Geigenspiel. Neben diesen drei Frauen gerät sogar Erik van der Wurff etwas ins Hintertreffen. Er ist der treueste musikalische Wegbegleiter Herman van Veens - seit 1963 ist er mit ihm unterwegs.

Starke, handgemachte Musik mit gefühlvollen Texten bot das Sextett. Die deutschen Übersetzungen (zum Teil von Heinz Rudolf Kunze) hat sich Herman van Veen noch nicht ganz zu eigen gemacht, das musste hier und da noch das Textbuch herhalten. Aber schließlich nimmt der 56-Jährige seine Musik in fünf verschiedenen Sprachen auf, da kann man schon durcheinander kommen. Die Balladen etwa über die Tochter, die nun selbst ein kleines Kind hat ("Mein kleiner Schatz") oder den Schmerz nach dem Verlust eines geliebten Menschen ("Kleiner Tip") sind aus dem Leben gegriffen. Gedanken zum Alltag, schnörkellose Poesie.

Die Gefahr, dass sich auf Dauer zu viel Sentimentalität einstellt, bannt der Künstler durch seine komischen Einlagen - manchmal macht er den Witz, noch während er singt. Zum Beispiel bei dem zarten Liebeslied "Für Marie-Louise": Bei der Textzeile " . . .und streichel mir übers Haar" fasst er an seine Halbglatze. Und schon nimmt er das Publikum mit in seine Ein-Mann-Mini-Oper, in der er den sterbenden Sopran, den Heldentenor und den Chor gibt - zum Sterben komisch. Er lässt sich von einem vermeintlichen Verehrer eine langstielige rote Rose überreichen und gibt jedem der Musiker ein paar Blütenblätter davon ab, bis die Blume ganz zerrupft ist. Er macht eine Charlie-Chaplin-Nummer mit Melone, weißen Handschuhen und Regenschirm ohne Bespannung. Er droht, das Publikum mit einem Wasserschlauch nass zu spritzen, und lässt dann einen glitzernden Sternenregen über ihm niederfallen. Das ist typisch Herman: Traurigkeit, Komik und Poesie gleichzeitig.



Von Oda Rose-Oertel, LN Oda Rose-Oertel