Morgenmagazin
Bernd Mand

"Das ist ein großes Tagebuch"

LIEDERMACHER: Herman van Veen im Gespräch über Moral, seine Texte und das Internet

3 maart 2011

Mannheim. Seit gut fünfzig Jahren steht der niederländische Liedermacher und Sänger Herman van Veen schon auf den Bühnen der Welt und begeistert die Menschen mit seinen höchst persönlichen Alltagsgeschichten. Ein Moralist, dem der Schalk im Nacken sitzt. Wir sprachen mit dem 65-Jährigen anlässlich seines bevorstehenden Konzertes am 8. März im Mannheimer Rosengarten.


Herr van Veen, glauben Sie, dass man mit Moral und Anstand heute noch sein Publikum erreichen kann?

Herman van Veen: Wenn ich auf die Bühne komme, dann sehe ich da immer noch die Leute sitzen. Also, scheinbar ja. Ich möchte mich auch nicht als Moralist sehen. Natürlich bin ich Unterhalter, und die Leute entscheiden, was sie damit anfangen. Aber für unsere Art von Musikmachen und Erzählen ist da immer noch ein großes und immer jüngeres Publikum.

Was zieht die Menschen in Ihre Programme?

Van Veen: Natürlich habe ich ein paar Talente. Die habe ich genetisch mitbekommen. Das ist kein Verdienst. Aber ich glaube, es liegt daran, dass wir nichts bedenken, sondern einfach über das singen und erzählen, was uns passiert. Es ist einfach die Reaktion eines Musikanten auf das, was in seinem Leben stattfindet.

Das ist ein unglaublich intimer Einblick in ihr Leben...

Van Veen: Ja, wenn man sich meine Platten aus den Jahren hintereinander anhört, merkt man, wie sich mein Leben aus subjektiver Sicht entwickelt. Das ist ein großes Tagebuch. Jetzt singe ich über meine Enkel. Ich glaube, dass die Leute es herrlich finden, jemandem zu begegnen, der kein Theater macht. Sondern sagt: Ich weiß es auch nicht.

Braucht das nicht viel Mut?

Van Veen: Ich weiß nicht, ob das mutig ist. Natürlich habe ich auch meine Ängste. Aber ich bin nicht Mann genug, es nicht zu tun.

Hatten Sie eigentlich eine musikalische Kindheit?

Van Veen: Meine Eltern waren begeisterte Sänger und mein Großvater hat damals immer im Vorprogramm von Kinofilmen gesungen und gespielt. Das war damals ja so. Das ist auch etwas genetisch bedingt.

Was hat sich beim Musikmachen in all den Jahren, in denen Sie jetzt auf der Bühne stehen, verändert?

Van Veen: Es ist eine komplexe Frage, weil diese digitale Revolution die gesamte Musikindustrie phänomenal verändert hat. Interessant daran ist, dass man durch das Internet grenzenlos alles finden kann. Das gucke ich mir als alter Mann mit offenem Mund an. Ich komme aus einer Zeit, da hat man noch Briefe geschrieben. Und die Macht der großen Zaren ist weg. Heute ist es möglich, dass ein junger Mann von der Bettkante aus auf Youtube ein Lied singt, und das kann seinen Kosmos verändern. Ich finde das super interessant



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03. März 2011
Von Bernd Mand