SHZ - Flensburg
Antje Walther

Das Kind im Mann unter Freunden

30 april 2010

Die Bühne im Deutschen Haus in Flensburg ist für ihn nicht nur Bühne. Für Herman van Veen ist sie am Mittwoch auch Spielplatz, Fechtarena, Theatersaal, Kneipe, Kirche, Kinderzimmer, Waldlichtung. Das wahre Alter des 65-jährigen Niederländers kann man nicht glauben, manchmal scheint er nur gespürte, gespielte sieben Jahre alt zu sein. So fantastisch sind die Träume des Kindes im Manne und so weise die Gedanken des Mannes im Kind.


Er fantasiert von Murmeltieren und der großen Murmel in den Alpen, nennt das Pianoforte einen "schwarzen Kasten mit einem Gebiss", telefoniert mit der Mundharmonika. "Ein Tag ohne Bier ist wie ein Tag ohne Wein", sagt er und singt von der Angst, "tot aufzuwachen". Bestimmt hat der stimmstarke Poet und sanfte Erzähler einen Zettel in der Hosentasche, auf dem er, seit er schreiben kann, notiert, was er schon immer machen wollte, aber als Knirps nie durfte. Pingpongbälle regnen lassen, würde darauf stehen, und mit offenem Hosenschlitz weit über 1000 Leute zum Lachen bringen, dieselben Leute zum Quatsch machen animieren.
Die Veen-Verehrer klatschen auf Geheiß auf die Schenkel für Schauer und stampfen für Gewitter. Das Gelernte holt sie ein, als sie "Regen" statt "Rehen" missverstehen müssen. "Kollektiven Wahnsinn" unterstellt der Künstler, und das Lachen darüber wird ein bisschen bitter.

Zum Choleriker wandelt er sich allmählich im Monolog an die Freunde der Musik, bleibt brillant als Solist an der Geige. Die Harmonie der gleich gesinnten Genies ist greifbar: Edith Leerkes Temperament treibt an, Erik van der Wurff am Flügel ist gut und treu wie ein Trinkbruder, die große blonde Jannemien Cnossen ein Sonnenschein an der Geige ebenso wie Neuzugang Dorit Oitzinger, die dazu singt wie ein Engel und tanzt wie eine Elfe, sexy sogar. Donnerwetter-Applaus kommt von Herzen; mit zahllosen Zugaben zollen die Freunde den Besuchern Respekt.



Antje Walther