Mindener Tageblatt-Bielefeld
HANS-JÜRGEN AMTAGE

Herman van Veen lebt ganz "Im Augenblick"
Ein Clown, der seine Zuhörer verzaubert

26 april 2010

Bielefeld (mt). Er zog sein Publikum schon in den Bann "als Afghanistan noch Vietnam hieß". Und auch heute noch verfolgen die Zuhörer hoch aufmerksam das, was er ihnen zu sagen hat: Herman van Veen - der Clown, der Musiker, der Denker und (Ver-)zauberer.


In der Stadthalle Bielefeld bewies der inzwischen 65-jährige Niederländer am Wochenende, dass selbst die Lieder und Gedanken, mit denen er Anfang der 1970er-Jahre in Deutschland populär wurde, nichts an Aktualität verloren haben und dass er auch heute noch mit viel Eleganz und Wortwitz die heißen Eisen unserer Gesellschaft anpackt. So ist sein aktuelles Programm "Im Augenblick" ein klein wenig Retrospektive, vor allem aber die seit Jahrzehnten von Herman van Veen gepflegte Bestandsaufnahme unserer Gesellschaft: charmant und mit Tiefgang präsentiert.

Es bleibt ein großes Vergnügen, den Enkel, Sohn, Vater und Großvater auf der Bühne zu erleben, wenn er in seinem Spiel auf die Großeltern, die Eltern, die Kinder und sein Enkelkind blickt, ihre und seine Gefühle, sowie die mit ihnen er- und gelebten Geschichten beschreibt. Es lässt einen erschaudern, wenn der Künstler, der sich in den vergangenen Jahren konsequent gegen die rechtskonservativen Populisten in den Niederlanden gerichtet hat, mit dem vertonten Gedicht der 1942 in einem Arbeitslager umgekommenen Jüdin Selma Meerbaum-Eisinger an die Gräueltaten der Nationalsozialisten erinnert.

Und man würde am liebsten gerne selbst aufstehen, wenn Herman van Veen munter über die Bühne hüpft, mit ihm Späße treiben, lachen und manchmal ganz still auch ein wenig mit ihm weinen.

Auch wenn sich alles seit Jahrzehnten vor allem um den genialen Traumfänger dreht, sein Programm gewinnt besonders durch die Künstler, die Herman van Veen zur Seite stehen. Das ist seit 45 Jahren der nahezu ständige musikalische und clowneske Begleiter Erik van der Wurff. Dazu gehört die Gitarristin Edith Leerkes mit ihrem großen Gespür für die richtigen Klänge. Und das sind die Violinistinnen Jannemien Cnossen und Dorit Oitzinger, die ihn auf der aktuellen Tournee begleiten und mit ihrem teils jugendlichen Charme "Onkel Herman" alt aussehen lassen. Allerdings nur so alt, dass man ihn in drei oder vier Jahren in alter Frische wieder auf der Bielefelder Bühne sehen möchte.



VON HANS-JÜRGEN AMTAGE