Herman van Veen
SH am Sonntag
Leckere Häppchen
25 juli 2010

Südfrankreich ist zu sonnig, um schwermütig zu sein. / Keine fruchtbare Umgebung also für einen Dichter, / der seine Inspiration unter dunklen, tief hängenden Wolken / über einem flachen Land findet. / In den Bergen, unter stahlendblauem Himmel, / sitze ich auf einem großen Stein am Rande eines Sees / und schaue auf eine Schule dunkler Forellen, / die mit ihren schlanken Körpern / wie eine Formation zärtlicher U-Boote / ruhig gegen einen unsichtbaren Strom schwimmen. / Ich zähle eins, zwei, drei, / einhundertsechs, zweihundertachtzehn, / dreihundertsechsundzwanzig. / Oder doch dreihundertzweiundzwanzig? /Auf ein unsichtbares Zeichen hin / schwimmen die Forellen geschlossen nach rechts, / um kurz darauf alle zugleich nach links zu schwimmen. / Habe einst jemanden, der darüber Bescheid wissen müsste, / gefragt, wie es sein kann, dass die Fische wie von Zauberhand / alle gemeinsam und gleichzeitig die Seiten / wechseln. / „Sie folgen dem dicksten Fische lautete die Antwort. / Ich kann das nicht glauben. / Eine dieser Forellen muss ein Signal gepfiffen haben, / ein Geräusch, das für Menschen unhörbar ist. / Ein Funkeln im Wasser, / ein Augenaufschlag, / die Bewegung einer Flosse. / Sahen sie alle gleichzeitig denselben Leckerbissen? /Auf jeden Fall finde ich es enorm schön, / Hunderte Fische wie dunkle Fähnchen / unterWasser langsam wehen, / umkehren, sich drehen und verschwinden zu sehen.

Ein blaugrünes Insekt streift nah überm /Wasser. / Patsch. / Eine Forelle springt hoch über die Wasseroberfläche / und verschwindet zappelnd in der Luft. /Wo bleiben die anderen? /Warum springen sie ihr nicht nach? / Hey, ihr Fische, ihr seid Hunderte. / Er ist nur allein. /Warum labt ihr euch jetzt nicht an dem / Fischer?



Herman van Veen (65) ist niederländischer Musiker, Entertainer und Unicef-Botschafter.
Seine Sonntags-Gedanken schreibt er exklusiv für Schleswig-Holstein am Sonntag.