TAZ (Tambach)
Dieter Albrecht

Herman van Veen und Edith Leerkes sangen fürs Kinderhospiz

23 aug 2010

Ernste Lieder hinter der Maske des Clowns das Publikum wusste es zu würdigen. Ein Benefizkonzert zugunsten des Kinderhospizes in Tambach-Dietharz hat der holländische Liedermacher Herman van Veen am Samstagabend an der Gothaer Talsperre gegeben. Veranstalter waren der Rotary-Club, die Stadt- und die Talsperrenverwaltung.


Tambach-Dietharz. Herman van Veen habe ich in den Achtzigern zum ersten Mal gehört auf einer Amiga-Schallplatte. Und war wie vom Blitz gerührt. So etwas gibt es? Behutsam und leise kamen die Töne und hatten doch solche Kraft, an unsere tiefe Lethargie zu rühren. Etwa im "Kleinen Fratz", wo er die Unschuld des charakterlich noch nicht verbogenen Kindes besang. Doch ebenso leise zeigte er sein Unbehagen am erlogenen Idyll der Erwachsenenwelt in "Stilles Glück, trautes Heim".
Seitdem ist viel Wasser durch die Gothaer Talsperre geflossen. Van Veen ist jetzt 65 und hat seine Ausdrucksskala erweitert. Geblieben sind seine unbedingte Menschenliebe, sein kritischer Blick. Schon vor Jahrzehnten hat er den Clown in sich entdeckt, was auch Georges Moustaki auffiel, der bei van Veen "die Weisheit des Hofnarren und die Brutalität des Moralisten" erkannte.
In Tambach-Dietharz ist van Veen mit der holländischen, welttourneeerfahrenen Gitarristin Edith Leerkes aufgetreten, die mit Bach, Scarlatti, de Falla und Prokofjew von sich reden machte und Anfang der Neunziger all das aufgab, um nur noch mit van Veen zu musizieren. Ihre Liebe zur spanischen Gitarrenmusik kann sie bis heute nicht verleugnen.

Trotz aller Bühnengags mal entnimmt van Veen einem Türchen im Kontrabass seine Geige, mal lässt er es Tischtennisbälle auf die Bühne und ins Publikum regnen, mal betätigt er sich als Musikclown am Flügel trotz alledem ist seine Botschaft eindringlich wie einst, als er noch flüsterte, statt zu rufen. Und trotz der eingestreuten deftigen Witze und seiner parodistischen Meisterschaft, etwa als er mit Kopfstimme die Panflöte imitiert. Wenn er seine Geige zur Hand nimmt, lässt er sie selbstvergessen singen oder aber die Melodie erstarrt, im Lied von der Angst, zum Bogenkratzen.
Nahe geht es einem, wenn van Veen von Menschen singt, deren Denken im Alter zu bröckeln beginnt, so, wie er es selbst bei seiner Großmutter erlebt hat. Nahe geht es einem aber auch, wenn er von der Kreuzigung Jesu singt und ihren Folgen für den Weg der Menschen: "Eine bunte Wäsche aus Blut und Schweiß, wie kriegen wir das wieder weiß?" Und schon ist er beim Thema Fremdenhass: "Jesus, Mohammed / beten dasselbe Angstgebet."
Zum Schluss des Programms, bevor die Zugaben kommen, werden Gags völlig überflüssig: "Leg keine Blumen auf meinen Sarg, bring sie jetzt", singen beide eindringlich. "Tu es jetzt, tu es jetzt, tu es jetzt!"

Sein letztes künstlerisches Wort an diesem Abend ist "Sonne im August", ein Lied auf Worte von Selma Meerbaum-Eisinger, einer jüdischen Dichterin. Sie starb achtzehnjährig in einem Arbeitslager.



Dieter Albrecht