DerWesten
Susanne Storck
Herman van Veen singt ein Lied auf das Leben 23 april 2010

Wesel. Zum dritten Mal gastierte Herman van Veen im Bühnenhaus in Wesel. Mit dabei: seine wunderbare Band. Einen Abend lang verzauberten sie mit der „Im Augenblick“-Tour das Publikum - mit Songs und Geschichten aus dem Leben.


„Sag’ keine lieben Sachen an meinem Grab, sag’ sie jetzt!“ Flüster sie, säusel sie, träller sie, spiel sie und schrei sie in die Welt hinaus. Beguck’ sie von oben und unten, kitzel sie, leg sie quer, mach sie lustig, küss sie und besing sie. Herman van Veen machte vor, wie das geht - am Donnerstagabend im Bühnenhaus. Hier gastierte er laut Leiter Paul Borgardts zum inzwischen dritten Mal vor 600 Gästen.
Und die waren hin und weg. Ganz „Im Augenblick“ gefangen, kosteten die Konzertbesucher gut zwei Stunden Programm und eine halbe Stunde Zugaben aus. Das wurde keinen klitzekleinen Moment langweilig. Wie auch, wenn in dem Lied über Amsterdam „die Tauben Rembrandt weiß scheißen“. Wenn das Publikum durch Fingerschnipsen, Füßetrampeln und ein fröhliches Pfeifkonzert „zum Regnen, Gewittern und Sonnen“ angelernt wird, als sei dies seine Bestimmung auf der Welt. Wenn van Veen eine Geige aus dem Kontrabass zaubert und Geschichten erzählt, die in rabenschwarzen Humor getaucht sind. Eine Kostprobe: Kommt ein altes Ehepaar zum Rechtsanwalt und will sich nach 60 Jahre Ehe scheiden lassen. Warum nach so langer Zeit?, fragt der Anwalt. „Wir haben gewartet, bis die Kinder tot sind.“


Unterhose auf dem Kopf


Herman van Veen ist am 14. März 65 Jahre alt geworden. Mag sein, dass er das spürt, wenn er wie ein Derwisch über die Bühne wirbelt. Für den Zuschauer und Zuhörer ist das nur eine Zahl. Eine bedeutungslose. Der Mann ist lustig und nachdenklich wie eh und je, politisch und albern, moralisch und heiter und macht auch mit Unterhose auf dem Kopf noch eine gute Figur.

Er liebt das Leben und die Menschen. Und die grandiosen Musiker, die mit ihm auf der Bühne stehen: Erik van der Wurff am Klavier, den er schon kannte, „als ich es auf meinem Schädel noch nicht schneien hörte“, und die drei Frauen Edith Leerkes, Jannemien Cnossen und Dorit Oitzinger. Ihre Musik strotzt vor Kraft und Übermut, klingt mal herzzerreißend, mal wie ein Ausbund an Lebenslust.

Schlaflied für Rosa

Ganz stark sind die Momente, in denen Herman van Veen die Freundschaft besingt, die man nicht vergisst, in denen er der 86-jährigen Rosa ein Schlaflied widmet und ein Lied singt, das seine Tochter Anne geschrieben hat. Nach der Pause („Opa Herman macht jetzt pipi“) bleibt der Song über Köln-Ehrenfeld im Ohr und die Schilderung über ein Zuhause, wo die Familie „keiner religiösen Genossenschaft“ angehörte. Der Erkenntnis „keiner hat gesagt, dass es einfach ist“, folgt einer der schönsten Songs des Abends: „Unten am Deich.“ Das ist so ein Lied, das man immer und immer wieder abspielen will und das mit der Ermutigung endet: „Denk an jetzt und nicht an später - hier unten am Deich.“
Klar, dass der Mann mit Schalk im Nacken nicht einfach so Feierabend machen kann. Kein Problem. Denn „so lange meine Kehle nicht unter der Erde liegt, wird das Geräusch, das sie macht, dieses sein: Danke.“

Herman van Veen und Musiker beschenken das Publikum am Ende mit Instrumentalstücken und „Ich hab ein zärtliches Gefühl“. Zum „Schluss-Schluss“ macht der Künstler mit Selma Meerbaum-Eisinger bekannt, die „grandiose Gedichte hinterlassen hat“. Die Jüdin starb 1942 mit nur 18 Jahren in einem Arbeitslager in der Ukraine. Von ihr blieb Lyrik, die Herman van Veen mit Edith Leerkes in dem Stück „Windekind -ein Märchen“ 2005 in der Alten Synagoge in Essen aufführte. Selmas Verse klingen auch im Weseler Bühnenhaus nach: „...und alles ist tief eingetaucht in Lächeln und in Einsamkeit...“

Tot ziens, Herman van Veen.