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Helga Schabel

Herman van Veen:
Er schöpft aus dem vollen Leben

20 januari 2010

Der Niederländer ist ein Tausendsassa: Liedermacher, Entertainer, Clown, Kabarettist, Autor, Komponist, Weltverbesserer, Poet, Philosoph. Und zurzeit wieder auf Achse mit seinem neuen Programm «Im Augenblick».


Bittet man Herman van Veen um die Beschreibung seines neuen Programms, gerät der sonst (auch auf Deutsch) so beredte Holländer ins Stocken. «Das ist kaum zu beschreiben. Ich mache seit 45 Jahren dasselbe. Ich erfinde nichts, ich beobachte die Welt und reagiere darauf als Beschreiber, Sänger, Clown. Ich schlage die Brücke zwischen meiner Welt und der Welt», bringt er sein künstlerisches Tun schliesslich auf den Punkt. Was ihm Fernsehen und Zeitungen vermitteln, Reisebegegnungen, Familienerlebnisse – alles ist ihm Stoff für Lieder und Nummern, wobei ihm Musik und Text gleichzeitig zufallen. «Es schreibt in mir», fühlt er, wenn ihm etwas gelingt.


Tierisch


«Ich plaudere auch mit den Tieren und finde dabei Parallelen zur grossen Welt», sagt er augenzwinkernd. Sein Bauernhof in den Niederlanden, den er zusammen mit seiner Frau, einer Tänzerin, und zwei Angestellten bewirtschaftet, bietet dazu die Auswahl eines Zoos. Pferde (seine Frau gibt tierorientierten Reitunterricht), Schafe, Rehe, Mufflons (eine Art Wildschafe), Gänse, Fasane und viele weitere Gefiederte und Nichtgefiederte verschaffen ihm nicht nur Abstand zum Tourneeleben, sondern auch viel und schöne Arbeit, wie er versichert, «und die Gelegenheit, die Natur zu bewundern, in der ich alle Antworten finde». Sein Publikum schätzt diese Nähe zum Leben und diese Authentizität. Es folgt ihm seit Generationen, Grosseltern, Eltern, Kinder füllen die Konzertsäle auch wieder auf dieser Tournee. «Von Wirtschaftskrise keine Spur, im Gegenteil, es kommen immer mehr», staunt er.


Ärger und Ehre


Doch Herman van Veen ist nicht nur einer, der auf der Bühne zärtlich, poetisch, schelmisch das Leben besingt, er mischt sich auch ein ins reale Leben – und kriegt dabei manchmal Ärger, wie kürzlich, als er an einer Lesung an der Universität Utrecht die linken und rechten Randparteien seiner Heimat kritisierte, die die Demokratie gefährden, «unser höchstes politisches Gut». Andrerseits wird er auch immer wieder hoch geehrt, vor einem ­Mo­nat etwa mit der Ehren­doktor­würde der Universität Brüssel, «für seine Kunst, die emanzipiert ist, ohne aufdringlich zu sein, für seinen Mut, sich politisch einzumischen, und für sein jahrzehntelanges Engagement für die Kinderrechte».


Familienmensch


Von Kindern versteht der Niederländer viel: Zwei Söhne und zwei Töchter sind prächtig geraten, sind Banker, Theatertechniker, Schauspielerin bzw. Sängerin. Demnächst wird er zum drittenmal Grossvater – und nimmt sich gehörig Zeit in dieser Funktion, inklusive Gute-Nacht-Geschichten erzählen. Seine Arbeitsmaxime gilt auch für die Erziehung: «In der Disziplin liegt Freiheit.» Die braucht er, will er all seine Aktivitäten und Projekte realisieren. Parallel zur laufenden Tournee arbeitet er gegenwärtig an einem Musiktheaterstück über das Leben der englischen Primaballerina Margot Fonteyn. Es soll kommenden Herbst in Paris uraufgeführt werden, mit seiner Ehefrau in der Hauptrolle. Eben vollendet ist der erste Teil seiner Autobiographie «Bevor ich es vergesse». Sie kommt im Februar auf den Markt. «Der zweite Teil wird in 120 Jahren erscheinen», scherzt er. Davor wird allerdings im kommenden Jahr der 65. Geburtstag gross gefeiert, mit einer Show, die Alfred Biolek präsentiert. Der Talkmaster hat einst Herman van Veen für den deutschen Sprachraum entdeckt. Bleibt dem Künstler, Bauern, Grossvater freie Zeit, dann hört er nicht etwa Musik – «dabei kann ich mich nicht entspannen, weil ich zu kritisch bin. Ich starre lieber aus dem Fenster, hänge auf der Couch rum, sehe im Fernsehen Sport.» Ein ganz normaler Mann eben.?.?. n