M.Z. - Halle
Katja Müller

Herman van Veen hält seine Fans im Augenblick gefangen

17 mei 2010

HALLE/MZ. Am Ende gab es lang anhaltende, stehende Ovationen in der Händel-Halle. Der holländische Liedermacher Herman van Veen hatte sein Publikum von den Stühlen gerissen. Es war ein Abend zwischen Witz, Klamauk und tiefer Nachdenklichkeit. Mit seinem aktuellen Programm "Im Augenblick" war van Veen am Freitag live in Halle zu Gast.

Wortgewaltig stellte der 65-Jährige unter Beweis, dass er auch nach fast 40 Jahren Bühnenerfahrung und unzähligen veröffentlichten Tonträgern noch jede Menge zu sagen hat. "Im Augenblick" heißt auch sein neues Studioalbum und schon mit dem Eröffnungstitel "Amsterdam" wurde deutlich, dass man alles, außer Langeweile erwarten durfte. Van Veen singt von "Tauben, die Rembrandt weiß scheißen", also jenem Amsterdam, das eben nicht dem Postkarten-Idyll entspricht. Er nennt die Dinge beim Namen, liefert moralische Einsichten und politische Statements und paart das Ganze mit anarchischer Albernheit und tiefschwarzem Humor.
Das Ganze zieht sich wie ein roter Faden durch das gut zweistündige Programm, wobei Herman van Veen rasend schnell zwischen den Extremen wechselt. Kaum ist man als Zuhörer in herzhaftes Lachen ausgebrochen, weist der Liedermacher schon in die entgegengesetzte Richtung. Im Song "Köln-Ehrenfeld" liefert er einen leidenschaftlichen Appell für kulturelle Toleranz. Er rührt das Publikum, wenn er im Titel "Bei mir" von der Liebe erzählt. Dann wiederum setzt sich Herman van Veen eine Unterhose auf den Kopf und wirbelt wie ein Derwisch über die Bühne. Er übt sich in Michael Jacksons Moonwalk und hat jede Menge Geschichten auf Lager: "Als ich las, wie schädlich Alkohol ist, habe ich sofort aufgehört - zu lesen."

Während van Veen selbst zu Gitarre, Violine und Kontrabass greift, stehen ihm letztlich grandiose Musiker zur Seite. Mit seinem Pianisten Erik van der Wurff steht van Veen schon seit Beginn seiner Karriere auf der Bühne, einer Zeit, als er es auf seinem Kopf noch nicht schneien hörte, wie er erzählt. Edith Leerkes (Gitarre) Jannemien Cnossen (Violine) und Dorit Oitzinger (Violine) komplettieren van Veens Begleitquartett. Was sie aus ihren Instrumenten holen, strotzt nur so von Kraft und Leidenschaft und zeugt von höchster Professionalität.

"Keiner hat gesagt, dass es einfach ist" - mit jener Erkenntnis, trifft Herman van Veen wohl den Nagel auf den Kopf. Vielleicht ist dies sogar besser so, denn es scheint genau dieser Zustand zu sein, der dem Liedermacher die Inspiration für sein künstlerisches Schaffen liefert. Klar, dass einer wie Herman van Veen nicht einfach so Schluss machen kann. Eine halbe Stunde lang gibt er frenetisch verlangte Zugaben und da ist er wieder, der Clown mit der aufgesetzten roten Nase. Und schließlich geht ein freudiges Jauchzen durch die Halle als er seinen Hit "Ich hab ein zärtliches Gefühl" anstimmt. Jenem Song, mit dem er 1973 in Deutschland bekannt wurde.



Katja Müller, 16.05.10, 19:00h