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jkl

Ruheloser Weltverbesserer

14 maart 2010

Statt an die Rente zu denken plant Herman van Veen eine Tour mit seiner Show „Im Augenblick". Der Entertainer, Sänger und geistige Vater der Ente Alfred Jodocus Kwak feiert seinen 65. Geburtstag.


Feiert seinen 65. Geburtstag: „Deutschlands Lieblings-Holländer" Herman van Veen Ein bisschen Clown sein gehört für ihn einfach dazu. Doch die rote Pappnase, die Herman van Veen auf dem Cover seiner neuen CD zu traurig-melancholischen Augen trägt, setzt er höchstens noch bei einer seiner Zugaben auf. Ohne die sind Konzerte des niederländischen Entertainers freilich gar nicht vorstellbar. In ihm erkenne er „die Weisheit des Hofnarren" und zugleich „die Brutalität des Moralisten", sagte der Sänger Georges Moustaki über van Veen. An diesem Sonntag wird „Deutschlands Lieblings- Holländer", wie ihn seine Plattenfirma wohl nicht zu Unrecht nennt, 65 Jahre alt.

„Dann bekomme ich Rente. Das ist mein gutes Recht", sagt van Veen. „Aber in Rente gehen - das ist für mich nicht realistisch." Ein Blick auf sein Arbeitsprogramm zerstreut alle Zweifel: Bis Juni tourt er mit seiner neuen Show „Im Augenblick" durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Danach kommt Belgien dran. Und zwischendurch arbeitet der multitalentierte Liedermacher, Schauspieler, Kabarettist, Zeichner, Drehbuchautor und Schriftsteller an seinem jüngsten Großprojekt.


150 Platten und 60 Bücher


„Juliette" ist der Titel eines „Spectacle musical", das der abenteuerlichen Lebensgeschichte der britischen Balletttänzerin Margot Fonteyn gewidmet ist. „Im Herbst ist in Paris Weltpremiere, das wird noch ein Stück Arbeit, und auch danach geht es immer weiter und weiter", sagt van Veen, den sein Freund und Kollege Heinz Rudolf Kunze einmal „die mobile Zirkuskirche" nannte. Seine künstlerische Produktivität ist „veenomenal". Rund 150 CDs hat der Absolvent der Utrechter Musikhochschule herausgebracht, nachdem er 1965 zusammen mit dem Pianisten Erik van der Wurffdas Cabaret Chantant Harlekijn gründete.

Mehr als 60 Bücher hat er geschrieben - seine Autobiografie „Bevor ich es vergesse" erscheint dieser Tage und wird von ihm am 16. März bei der Lit.Cologne vorgestellt. Hinzu kommen Drehbücher und natürlich etliche Hits, die sich mit ihrer enormen musikalischen Spannbreite einfach nicht in eine Schublade stecken lassen.


Lieder gegen Hass und Ausgrenzung


Den Durchbruch in Deutschland schaffte der Sänger mit der rauen und zart-traurigen Stimme 1973 mit der LP „Ich hab' ein zärtliches Gefühl". Liebe war stets sein Thema, im weitesten Sinne. Der Menschenfreund singt auch an gegen Hass, gegen Angst und Ausgrenzung. „Was man hier hört, was man hier sieht, ist der gelebte Unterschied", textete er für seine jüngste CD über den Kölner Moschee-Streit. „Wo immer man auch Fremde nicht ertrug, Köln-Ehrenfeld hat Platz genug, auch wenn sie von den Kölnern vieles trennt, ihre Kinder reden Deutsch - mit Kölschem Akzent."

Dass bei ihm zu Hause ein Geert Wilders mit muslimfeindlichen Parolen an die Macht strebt, sei traurig, aber nicht allein ein niederländisches Phänomen. „Vielerorts in Europa haben Menschen Angst vor der Zukunft. Dann noch die Geschichte mit den Banken, die Gesellschaft ist beunruhigt", sagt van Veen. „Schade, dass Politiker nicht entschlossener auf die Probleme reagieren. Da kommen dann Leute daher, die versuchen, das für ihre eigenen Ambitionen auszunutzen."


Ente Alfred auf Facebook


Kann denn seine Kunst die Welt verbessern? „Nein, das glaube ich nicht", sagt van Veen. „Aber man kann die Welt ein bisschen schöner färben. Ich kann ein Lied machen, aber die Leute müssen entscheiden, ob es ihnen etwas bedeutet." Die Femsehjoumalistin Sabine Christiansen hat sich entschieden: „Nur sehr wenige Menschen", schrieb sie dem Entertainer, „verstehen es wie Du, mit leisen Worten so tief zu berühren. Deine Musik und Deine Texte treffen immer direkt ins Herz."

Freilich kommt neben Melancholie und Romantik auch auf dem neuem Album der Humor, selbst der schwarzen Sorte, nicht zu kurz. „53 Prozent unseres Publikums sind inzwischen gestorben", rechnet der Entertainer vor. Und er singt „Gott sei Dank, ich wach noch nicht auf mit einer vollgeschissenen Unterhose, habe weder Zehen aus Holz, noch Backen aus Pappe, auch keinen morschen Totempfahl." Selbst das kann dieser Mann irgendwie zärtlich klingen lassen.