Herman van Veen
SH am Sonntag
Der letzte Schnee
14 feb 2010

Auf der viereckigen Glasschale liegen einmütig eine Mandarine, eine Birne,
Weintrauben, ein Apfel und drei Schokoladenkekse.

Dazwischen sitzt ein weißes zusammengefaltetes Kärtchen, auf dem steht, dass mich Ernst-Friedrich und Sylvia von Kretschmann in ihrem kleinen, führenden Hotel 'Europäischer Hof in Heidelberg herzlich willkommen heißen. Fünf Sterne. Seit 1865.

Das leckere Stillleben auf dem gläsernen Tisch verschwindet in meinem Magen, begleitet von einem trockenen Riesling von Heppenheimer. Heute Abend spielten und sangen wir im wahrhaft prächtigen Kongresshaus dieser jetzt verschneiten, berühmten deutschen Stadt anlässlich des Zweitältesten Chansonfestes Deutschlands, bei dem ich die Ehre habe. Schutzherr zu sein.

Der weiße Wein zeigt allmählich seine Wirkung.
Als auch die Birne als letzte verschwunden ist, sind meine grauen Zellen leicht benebelt und lassen mich das Leben etwas rosiger sehen.

Eine gewisse Milde bedeckt bange und glückliche Erinnerungen der letzten Zeit.

Im Nachgeschmack des Weines liegt so etwas wie ein zarter Frühling. Etwas, das ich gestern auch entdeckte, als ich von zu Hause wegfuhr, auf dem Weg, entlang der verschneiten Weiden.

Die Zweige werden unverkennbar dicker. Wir werden es nicht aufhalten können. DieTage werden länger. Die Nächte kürzer. Die Kälte zieht sich zurück. Die Sonne macht sich auf, um unsere Herzen zu erwärmen.
Und Ema ist schwanger.



Herman van Veen (64) ist niederländischer Musiker, Entertainer und Unicef-Botschafter.
Seine Sonntags-Gedanken schreibt er exklusiv für Schleswig-Holstein am Sonntag.