Mannheimer Morgen Heidelberg
Bernd Mand

Chanson: Herman van Veen beim Festival "Schöner Lügen"

Kullernde Ping-Pong-Bälle statt erhobenem Zeigefinger

13 feb 2010

Der Applaus will schier nicht enden. Im weißen Hemd und Haar steht der niederländische Altmeister des Chansons auf der Bühne der ausverkauften Heidelberger Stadthalle. Drei Minuten sind lang. Und wir sind erst am Anfang des Abends. Der Abschied wird sich um einiges länger ziehen und es einem schrecklich schwermachen, den regulären Alltagsfaden wieder aufzunehmen.


Zur zehnten Ausgabe des Heidelberger Chansonsfests Schöner lügen steht Herman van Veen, Schirmherr der ersten beiden Festivalausgaben, jetzt selbst auf der Bühne. Ein Meister der Fetzen ist der 64-jährige Mann aus Utrecht. Auch in seinem jüngsten Bühnenprogramm "Im Augenblick" zersplittert er Texte und Geschichten mit jener Lebendigkeit, die nur Reiferen gegeben ist, baut seine Liederwelten zum Zirkuszelt aus und überlässt dem Schabernack gerne das Feld. Dem Vater der wohl berühmtesten Ente neben Donald Duck, gelingt ein bewegender, aufwühlender Clownsritt, der sich regelmäßig die Harlekinsträne auf der Wange nachschminkt. Mit seinem langjährigen Begleiter Erik van der Wurff am Klavier, der Gitarristin Edith Leerkes, Dorit Oitzinger und Jannemien Cnossen an den Geigen fegt van Veen durch pralle zweieinhalb Stunden Liedzeit. Er singt vom Regen in "Amsterdam", erklärt "Unten am Deich" seine Liebe und spielt auf den Fingerspitzen Panflöte. Der Zeigefinger bleibt bei aller Lebensweisheit schön in der Tasche, dafür springen Ping-Pong-Bälle über die Bühne und es werden Witze rezitiert.

Es ist vor allem diese Gelassenheit, die den Abend zu einem direkt angehenden Erlebnis werden lässt, das man viel zu selten auf deutschen Chansonbühnen sehen kann. Dort, wo Drolligkeiten auf die alten Wahrheiten treffen, hat sich Herman van Veen sein kleines, wunderbares Reich gebaut. Zwischen dem Kampf gegen die alten Feinde und der Feier der innig geliebten Unverständlichkeiten des Lebens.



Von unserem Mitarbeiter Bernd Mand, Mannheimer Morgen 13. Februar 2010