Dresdner NN
Juliane Hanka
Herman und die heile Welt

Herman van Veen war auf Erfolgstour im Kulturpalast
12 april 2010

An zwei Abenden hintereinander füllte sich der Saal des Dresdner Kulturpalastes mit über 2000 Menschen, die nur gekommen sind, um Herman van Veen zu sehen. Sie hatten Schwein. Das befand der Künstler selbst, denn „55 Prozent unseres Publikums sind inzwischen gestorben". Tatsächlich waren die meisten seiner Besucher längst keine Schüler, Studenten oder Berufseinsteiger mehr. Weil van Veen seit über 45 Jahren musiziert und schreibt, dichtet und denkt und über 100 Alben produzierte, ist auch die Mehrheit seiner Fans mittlerweile in einer Lebensphase angekommen, die er häufig besingt: in der der gutmütigen Altersweisheit.


Mit dem ersten Stück „Amsterdam" von seinem aktuellen Album „Im Augenblick" begann der 65-Jährige einen fast dreistündigen Musikabend in einem seltsam entrückten, von ihm selbst geschaffenen Land aus Träumerei, poetischer Alltagsbeschreibung und Clownerie. Musikalisch allerdings spielte sich das Konzert auf höchster Ebene ab. Der begleitend singende Frauen-Dreier, bestehend aus der Gitarristin Edith Leerkes und den beiden Violinistinnen Jannemien Cnossen und Dorit Oitzinger, war ebenso beeindruckend wie die Vorstellung, dass der grauhaarige, kleine Pianist Erik van der Wurff Herman van Veen schon seit mehr als 45 Jahren musikalisch begleitet. Zusammen braute der Bühnen- fünfer eine Mischung aus nordischen Folkklängen, geigenbehangenen Sozialstudien und Singer-/Songwriter-Dramatik. Herman van Veen präsentierte sich einmal mehr als ein warmherziger Entertainer, dessen zu großer Spannweite gereifte Stimme den Dresdner Zuhörern stetige Beruhigung aussendete. Mal sang sie eine Ballade fur eine alte, vergessene Frau („Schlaflied für Rosa"), mal forderte sie mehr Toleranz für kulturelle Unterschiede („Koln-Ehrenfeld"). Immer wieder sang sie von den edlen Werten wie Freundschaft und Familie.

Nach einer inhaltlich bedachten Nummer allerdings folgte fast immer etwas Lustiges. Nur nicht einseitig bleiben. Dieses musikalische Kontrast Programm spiegelte sich auch in der Kleidung Herman van Veens wider. Er trug ein weißes Hemd, eine schwarze Bundfaltenhose, einen weißen rechten und einen schwarzen linken Lackschuh. Nach der Pause tauschte er. Auch wenn der Allround-Künstler die rote Nase erst in der Zugabe aufsetzte, die lausbübische Komponente zog sich stetig durch sein Programm und wurde zum primaren Erheiterungsprinzip.
Deshalb musste seine direkte Umgebung einiges erdulden. Van Veen warf über seinen Musikern gelbe Pingpong- Bälle in die Luft oder zupfte in einer von ihm gesetzten Zeitblase an ihnen herum. Später mimte er mit einer Unterhose auf dem Kopf einen französischen Koch, streute Konfetti und spritzte Wasser über die erste Reihe des Publikums. Zu all dem tanzte er. Für einen alten Mann sogar erstaunlich leger und rhythmisch, Ganz offensichtlich ist die Bühne sein Zuhause. Er hat, so sagte er, auch bis zu seinem Tod nichts anderes vor, als die Menschen mit, seiner Musik zu unterhalten. Er kann es einfach zu gut.

Vielleicht wegen dieser unbändig positiven Energie erinnerte das Konzert an die heile Welt, der kleinen TV-Ente Alfred J. Kwak, die den Niederländer einmal berühmt machte. Das weltoffen Kindliche in seiner Show ist vermutlich auch der Schlüssel zu seinem Erfolg. Seine Witze waren durchweg koscher und schienen vor allem darauf bedacht, niemanden ernsthaft zu treffen und um jeden Preis niedlich zu bleiben. Seine Streiche waren es sowieso. Die Harmlosigkeit seiner Aufführung zwang offensichtlich auch die Zuschauer zu Gutmütigkeit, mindestens aber zu einem Lächeln. So hielt es die meisten Zuschauer auch noch im Saal, als die dritte Zugabe verhallte, in der Hoffnung, der Meister könne ein weiteres Lied aus seinem unermesslich großen Vorrat anstimmen. Kurz vor elf war es dann aber endgültig vorbei.

Auf der Treppe Richtung Ausgang sagte ein bärtiger Mann anschließend zu seiner Frau: „War echt nicht so schlecht, wie ich gedacht habe." Es sind vermutlich solche Situationen, die Herman van Veen antreiben.