Meike Bruhns schreeg 10 november 1999 in de Berliner Zeitung

Kopfstand für die richtigen Töne



Was macht ein Künstler, der zum ersten Mal seit 22 Jahren im Theater des Westens auftreten soll und so erkältet ist, dass er keine Stimme hat? Wenn er Herman van Veen heißt, stellt er sich einfach auf den Kopf: "Nur sieben Minuten, und die Stimme war wieder da."

Zum Abschluss stand Herman van Veen am Montagabend nur noch mit einem vorgehaltenen Handtuch auf der Bühne, um zu zeigen, dass er nach den vielen Zugaben wirklich kein Lied mehr übrig hatte. So bald wird er nicht wieder nach Berlin kommen. Erst 2001 ist wieder ein Konzert geplant. Ein Jahr später will er mit einer Kinder-Show auf Tournee gehen. Veen kann sich gut an einen Auftritt in der Werner-Seelenbinder-Halle erinnern. Drei Wochen vor dem Mauerfall war das. "Damals habe ich gesagt, dass das Ding bald weg ist, und alle haben mich für verrückt erklärt." Den 9. November erlebte er in Luxemburg. "Das war fantastisch! Ich habe im Osten viele Freunde. Als Holländer durfte ich dort auftreten und dabei sagen, was ich denke. Das durften Deutsche nicht."

Auch Liedermacher Reinhard Mey, der mit dem Kollegen Klaus Hoffmann zum Konzert gekommen war, kann sich noch gut an den 9. November 1989 erinnern. "Ich war in Dresden und probte für meinen ersten Auftritt im DDR-Fernsehen überhaupt." Als die Nachricht im Fernsehen kam, habe er erstmal einen Teil seiner Gage, etwa 2 000 DDR-Mark, in Sekt investiert. Die Sendung selbst wurde am 11. November ausgestrahlt. "Sonst hätte ich wohl sensationell niedrige Einschaltquoten gehabt", sagt Mey. In der Sendung durfte Mey auch seine Klassiker "Gute Nacht Freunde" und "Über den Wolken" spielen - Lieder, die ihm vorher in der DDR verboten worden waren. Zu symbolisch. Den Rest der 6 000 DDR-Mark Gage hat Reinhard Mey übrigens nie bekommen. "Als ich das Geld bei der Deutschen Künstleragentur abholen wollte, gab"s die schon nicht mehr."

Der West-Berliner Klaus Hoffmann erlebte den Mauerfall mit gemischten Gefühlen. "Die Freude kam erst später. An dem Abend saß ich zu Hause vor der Glotze in Kladow und hatte erstmal nur Angst. Die Mauer war direkt hinterm Haus und ich wusste nicht, was jetzt passieren würde." Richtig begriffen habe er das Ganze erst in der Silvesternacht. "Da bin ich mit einem Freund unterm Schlagbaum durch, und wir sind mit einer Flasche Sekt durch die leeren Straßen gelaufen. Der Grenzer sah in seinem Häuschen ganz traurig aus - der wusste nicht so recht, was er da noch soll."



Meike Bruhns


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