Klaus Sebastian schrieb am 10.05.02 in der Rheinischen Post

Junge und alte Kids



Herman van Veen und die Ente Kwak im Savoy - da schwappten die pathetischen Gefühle nur so über den Bühnenrand. Aber niemand im Publikum ging in Deckung.

Düsseldorf (RP). Die Interpretation diktiert der gar nicht so fidel gestimmte, fiedelnde Holländer den Kritikern gleich selbst in den Block. "Er ist ein altes Kind", singt er und schaut dabei ganz traurig ins Publikum. Dort sitzen in der Abendvorstellung nur wenige Kinder, aber bestimmt ganz viele im Herzen jung Gebliebene. Wenn der betrübte Barde ganz ungeniert vom "Herz, das seine Flügel verliert" singt, schwappen die pathetischen Gefühle nur so über den Bühnenrand. Doch niemand geht hier in Deckung. Seine herzensjungen Fans mögen ihn eben in der Rolle des traurigen Clowns. Und er dankt es ihnen mit einer Dusche aus der Wasserflasche - schwapp! - die altbeliebte Clowns-Masche.

Die junge Musiker- und Gauklertruppe, die der Holländer um sich versammelt hat, umwuselt den Vorleser wie ein Hofstaat. Van Veen gibt den melancholischen König, der das Lachen verbietet, weil er "in der Tagesschau" etwas unendlich Trauriges gesehen hat. Nun thront er auf seinem Wolkenkuckucks-Thron (das Mikrofon hing zu hoch) und lamentiert über Waldsterben und die Bosheit der Menschen. Die Ente Alfred Jodocus Kwak (niedlich gespielt von Lilja Hermannsdóttir) möchte ihn wieder zum Lachen bringen und besteigt eine Zeitmaschine. Vielleicht weiß der große Clown Charlie Chaplin Rat.

Gewollte Altmodischkeit

Viele Details der Show sind in ihrer gewollten Altmodischkeit rührend. So hat man die Zeitmaschine unverkennbar aus einem klapprigen Hollandrad gebastelt. Und wenn der König der in der Vergangenheit verschollenen Ente hinterherläuft, bewegt sich van Veen in pantomimischem Zeitlupentempo. Da blitzt für einen Moment jener poetische Zauber auf, den der zwischen Betroffenheit und Alberei schwankende Darsteller ansonsten mit Nebelmaschinen, Glitter und pathetischer Stimme eher verscheucht.

Am Anfang steht also der "Tagesschau-Schock". In der Folge vollzieht sich die Handlung dieser "Familienvorstellung" jedoch im Rahmen der traditionellen Märchenmotive. So verspielt van Veen die Chance, Nachdenklichkeit oder Lacher durch ironische Verweise auf die Realität zu erzeugen. Lösungen sucht er nur in der Utopie (Zeitmaschine) und im altbekannten Appell an das innere Kind.

An der Tatsache, dass heutige Kinder ihre Weltsicht nicht nur aus Märchenkassetten beziehen, fabuliert das vorbei. Die sentimentale Reise verläuft merklich aus der Perspektive des Erwachsenen rückwärts - also dorthin, wo man selbst noch jung war; wo es angeblich lustiger und unkomplizierter zuging. Liegt hier der Schlüssel für seinen Erfolg bei älteren Semestern?

Nur allzu selten mogelt sich doch einmal ein Mosaiksteinchen Realität ins Märchen-Spiel: Wenn die gelbe Ente sich schüttelt (weil ihr Handy klingelt), oder wenn van Veen sich auf seiner Zukunftsreise freut, dass Holland 2006 Fußball-Weltmeister wird. Da erntet er auch Lacher von den etwas älteren Kids, und hier öffnen sich womöglich Perspektiven für zeitgemäße Märchenwelten. Am Schluss begeisterte Rufe nach Zugaben von den Fans. Ausverkauft war das Haus freilich nicht.

Weitere Vorstellungen am 11., 16., 17. und 18. Mai. Savoy-Theater, Graf-Adolf-Straße 47.