Tageblatt Online
Sigrid Quäker
Ritter und göttlicher Clown 5 februari 2010

STADE.
Vereist waren Straßen und Wege. Wer wollte da freiwillig das Haus verlassen? Der Stadeum-Saal füllte sich am Mittwochabend trotzdem bis fast auf den letzten Platz. Herman van Veen ließ dann ganz schnell alle Kälte vergessen. Und nach fast drei Stunden und etlichen Zugaben wollten ihn viele noch immer nicht gehen lassen. Schon völlig verausgabt, stürzte er sich da leibhaftig in die jubelnde Menge.


Herman van Veen: Seine Fans halten ihm seit Jahrzehnten die Treue, die niederländische Königin schlug ihn zum Ritter, der deutsche Bundeskanzler verlieh ihm das Bundesverdienstkreuz Ein Kämpfer für Frieden und Gerechtigkeit ist er und ein Allroundkünstler ohne Furcht und Tadel. Ein Held sieht anders aus.
Van Veen auf der Stadeum-Bühne: Schwarze Hose, weißes Hemd, ein schwarzer und ein weißer Schuh, schütteres graues Haar umkränzt das Gesicht eines Clowns voller Ernst und Heiterkeit. Die böse Welt weiß er für eine Weile zu verjagen, schüttet Lachen und Seligkeit, zärtliches Erinnern und freche Zoten wie aus einem Füllhorn aus.
Nicht er allein bezaubert an diesem Abend sein Publikum. Die wunderbare Gitarristin Edith Leerkes, die charmanten Geigerinnen Jannemien Cnossen und Dorit Oitzinger und van Veens langjähriger Weggefährte am Flügel, Erik van der Wurff, tragen ganz viel zum Gelingen der Show bei. Effekthascherei mit Schall und Rauch wird nicht benötigt.

Die ganze (bis auf die böse) Welt en gros und en detail scheint van Veen mit seinen Liedern und Geschichten umspannen zu wollen: Da geht es um Jesus, Mozart und Michelangelo, um das alte Pärchen Hans und Clärchen, um das Jungsein, den Schnee und den Tod, um ein fallendes Blatt im Herbststurm, um "eine andere Schönheit, Sanftheit, Weisheit"...
Dieses "Andere" ist es, das Herman van Veen und seine Programme heute mehr denn je abhebt von den Superstars und Mega-Events à la mode. Ohne sich davon beirren zu lassen, zaubert er ein Ei aus der Hand durch die Hose in den Mund, lässt es Pingpongbälle regnen und Luftballons aufsteigen. Er parodiert mit dem Mund an den Fingernägeln entlang den Klang der Panflöte, popelt und dreht sich Hörner in die schütteren Haare, kriegt es beim Ritt auf dem Kontrabass im Kreuz...

Van Veen ist schließlich mit 65 nicht mehr der Jüngste. Er ist ein Opa und macht keinen Hehl daraus. Anrührend und göttlich gleichermaßen wirkt er , wenn er engelhaft über die Bühne tanzt, als ob er im Abheben begriffen sei. Aber nein, er hebt nicht ab. Er will "einfach gut sein, und ehrlich und ein Optimist".
So steht Van Veen, wie er im neuesten Programmheft schreibt, neben einer stinknormalen Butterblume auf der Erde wie der kleine Prinz auf seinem Planeten. Dort kommt er zu der immer wieder erstaunlichen Erkenntnis: Das Leben ist ein Wunder.

Gelassen stellt er fest, dass inzwischen 40 Prozent seines Publikums gestorben seien. "Sie haben Schwein gehabt", ruft er im Stadeum in den Saal. Und lacht, und steckt sich am Ende doch noch die rote Nase auf. 05.02.2010