Herman van Veen
SH am Sonntag
Patricia
4 juli 2010

Sitze auf derTerrasse vom, wie die Broschüre sagt, Leading Small Hotel Hugenpoet, unter dem Rauch von Essen. Nach einem langen Tag. Früh raus, mit dem Auto nach Goch, kurz über die deutsche Grenze bei Nijmegen, für eine Pressekonferenz über den Aufbau des Alfred Jodocus Kwak-Hauses. Ein Ferienhaus für Familien mit Kindern, die mit ihrer Gesundheit zu kämpfen haben. Das Haus kommt, wenn das Geld dafür gefunden wird, in eine wunderschöne Lage, nur wenige Gehminuten von See und Wald. Achtzehn Häuser sollen es werden, Wohnungen, die wie ein Fächer um das „Biosphären Haus" in Form eines riesigen Wassertropfens liegen. Angelehnt an den Text des Alfred Jodocus Kwak-Leibliedes: „Plätscher, plitscher Feder, Wasser mag doch jeder, geh schon mal nach Haus, ich komm einTröpfchen später." „Heilpädagogisch, ökologisch beispielhaft und vor allem: für Kinder sinnlich lebensnah" so erklärt es ein Professor der versammelten Presse.

Meine Gedanken wandern zu Patricia. Sie schrieb mir einst ein Briefchen. „Herr van Veen, können Sie nicht einmal bei mir vorbeikommen? Ich bin in derWilhelmina Kinderklinik in Utrecht. Die Ärzte sagen, dass ich nicht mehr lange leben werde. Könnten Sie nicht vielleicht ein Liedchen für mich singen? Das wäre schön." Das Mädchen war so krank, dass es nicht ohne die Geräte überleben konnte. „Kannst du hier denn niemals weg, auf Urlaub?" fragte ich. „Ja'; antwortete sie, „wenn die Geräte und die Menschen, die sie bedienen, mitkommen können." „Und gibt es einen Ort, wohin du dann gehen könntest?" „Nicht, dass jemand davon wüsste."

Hab Freunde angerufen, Firmen, Organisationen. Wenn es dafür nichts gibt, muss etwas gefunden werden. Ein Haus, , in dem Mädchen wie Patricia etwas Schöneres als Krankenhauswände und Fenster mit Blick auf parkende Autos genießen können. Es sollte möglich sein! Aber es würde Jahre länger dauern, als Patricia noch zu leben hatte. Ich musste es ihr sagen. Sie schaute mich mit erstaunten Augen an. Ergriff meine Hand und kniff mich so, wie nur Mütter das können. Wie es geschah, weiß ich nicht. Aber als unser Colombinehaus in den Niederlanden eröffnete, war Patricia entgegen allen Erwartungen, unser erster Gast. Und ist in der Urlaubsnacht in unserem Haus gestorben. Dachte heute an sie, während die Männer sprachen. Ich hoffe, dass das schöne neue Haus in Goch für kein Kind jemals zu spät kommt.



Herman van Veen (65) ist niederländischer Musiker, Entertainer und Unicef-Botschafter.
Seine Sonntags-Gedanken schreibt er exklusiv für Schleswig-Holstein am Sonntag.