Boris Schibler schreef 9 april 2002 in de Basler Zeitung

Wo der Auftritt zum Panoptikum wird



Der Sänger, Tänzer, Geschichtenerzähler und Clown Herman van Veen gastierte im Stadtcasino


Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Nachdem Herman van Veen sein Basler Konzert Ende Februar krankheitshalber abbrechen musste, war die Freude beim Publikum, das beim Ersatzkonzert das Stadtcasino füllte, verständlicherweise gross und ebenso die Angst, dass sich das Sprichwort bewahrheiten könnte.

Vielfalt ist das Stichwort zu Herman van Veen und es wird mit so regelmässiger Häufigkeit in Zusammenhang mit seinem Namen zitiert, dass es mittlerweile schon fast zu ihm gehört. Seine Stimme ist es, die neben dem Inhalt wohl den grössten Anteil hat an der Wirkung seiner Lieder und Geschichten. Die Fragilität der Texte wird erst durch den Vortrag mit dünner, leiser Stimme richtig greifbar, die Emotion eines Liebesliedes erhält ihre Dramatik durch mehr rufenden als singenden Vortrag. Die Erzählung, wie er als Achtjähriger zum ersten Mal mit dem Vater ins Badehaus durfte, wird durch Modulationen zum Hörspiel, das Bilder vor dem inneren Auge auftauchen und einen fast die Gerüche der damaligen Zeit wahrnehmen lässt.

Auch im Bereich der Musik herrscht Vielfalt, hier allerdings entwickelt sie sich aus einer einzigen Quelle, nämlich der der Volksmusik, oder vielmehr dem offenbar urmenschlichen Drang, Gefühle mittels Klängen auszudrücken, aus dem die Volksmusiken der Welt entstanden sind. Ob van Veen sein Publikum nun mit Hilfe von keltischer Harfe und Dudelsack nach Irland entführt oder mittels einer - imaginären - Panflöte nach Südamerika, er beherrscht den Code, der es ihm erlaubt, die verschiedenen musikalischen Idiome scheinbar mühelos zu sprechen. Herman van Veens Musik kommt aus dem Bauch, ist reine Lust am Musizieren, das zeigt sich bei der Vorführung eines afrikanischen Tanzes ebenso wie beim Vortrag eines französischen Chansons (einziger Wermutstropfen: Jacques Brels «La chanson des vieux amants» wirkte in der deutschen Übersetzung holprig). Der Holländer ist Musikant durch und durch.

Doch er ist auch Geschichtenerzähler, Tänzer, Schauspieler und Clown, und sein Auftritt wird zum Panoptikum, wo der Fechtkampf mit dem Geigenbogen und die Aufführung einer Oper (van Veen verkörpert darin sämtliche Rollen vom Sopran bis zum Ballett) sowie Jugenderinnerungen alle ihren Platz finden. Sie alle durchzieht ein leiser Hauch von Melancholie, die sich dem Zuhörer jedoch nie aufdrängt, und die jederzeit von einem Ausbruch schieren Übermuts durchbrochen oder ins Lächerliche gezogen werden kann - von ihm selber oder von der Band (Edith Leerkes, Jann, Wieke Garcia und Erik van der Wurff), die ihn auf der Bühne begleitet. Wie gross der Anteil der Band an der Musik ist, kann man im Programmheft sehen, wo ihre Namen immer wieder unter den Liedtiteln auftauchen, vor allem aber konnte man es hören. Die drei Frauen und der Mann agierten und reagierten instrumental und schauspielerisch auf den Hauptakteur, was bisweilen heitere Situationskomik erzeugte. Das Sprichwort wurde für einmal widerlegt: Die Freude während des Konzerts übertraf die Vorfreude mühelos.



Von Boris Schibler