Remco Ubbels schreef 9 maart 2001 in de Mitteldeutsche Zeitung

Prediger im Zirkuslicht

Der singende Holländer gastierte in Halle



Halle/MZ.
"Auf dem Weg nach Halle hat meine Frau erwähnt, dass ihr all das Herumreisen zuviel wird. Ich solle mich entscheiden - entweder für das Künstlerleben oder für sie." Das Publikum in der restlos ausverkauften Händelhalle schreckte auf und bangte am Dienstagabend, dass sein geliebter Unterhalter hiermit seine Ansage zum Abschied von der Bühne liefern würde. Herman van Veen waren denn auch bei dieser Anekdote die Emotionen ins Gesicht geschrieben. Doch plötzlich erscheint ein Grinsen auf dem Gesicht des Holländers - und schon sind die Zuschauer erleichtert. "Meine Frau wird mir fehlen."


Kaum denkbar, dass der für das Showgeschäft geborene van Veen freiwillig seine Berufung beenden würde. Mit seinen 55Jahren sprudelt er vor Energie wie andere mit 35 schon nicht mehr. Wolfgang Amadeus Mozart zum Beispiel. "Mozart war, als er genau so alt war wie ich, schon zwanzig Jahre tot." Wie Mozart kann der Multi-Instrumentalist natürlich auch Piano spielen. Fast selbstverliebt setzt er sich hinter den Flügel, geht dabei aber so in seinem eigenen Spiel auf, dass er vergisst, überhaupt die Tasten anzuschlagen. Nur gut, dass sein langjähriger Begleiter Erik van der Wurff für den Rest des Programms den Klavierhocker mit großer Souveränität besetzt.

Herman van Veen reist seit einen Monat mit seinen neuen Programm "was ich dir singen wollte" durch die deutschen Landen. Damit steht er erst am Anfang einer Tour, die sich bis April 2002 ausdehnt. Vielleicht war deswegen sein niederländischer Akzent etwas stärker als sonst. Oder liegt es an der etwas dürftigen Beschallung, dass der ausgebildete Sänger in diesem riesigen Saal - vor allem während seiner Liedvorträge - schwer zu verstehen ist? Manchmal muss der sonst äußerst professionell arbeitende Künstler seine Texte direkt vom Blatt ablesen. Und wenn ihm gar nichts mehr einfällt, macht er einfach auf Holländisch weiter.

Vielleicht möchte auch der in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs geborene van Veen hiermit sein zwiespältiges Verhältnis zu Deutschland andeuten. Geprägt von einer Familie und einem Land, in dem dieser Krieg noch immer eine große Bedeutung hat, prangert der Sänger immer wieder die deutsche Bewältigungsproblematik an. In Liedern wie "Der östliche Nachbar" und "Erev shel shoshanim" scheut van Veen sich nicht, die Judenthematik anzusprechen. Lacher kriegt er bei den Geschichten von seinem Onkel, der sich 1939 extra einen Peugeot besorgen musste. Der von ihm gefahrene Amsterdamer Rabbi weigerte sich, in einem Volkswagen zu sitzen.

Bei van Veen gehen Ernst und Humor stets mühelos Hand in Hand. Mit einem lässigen Spruch kann der ernsthafte Harlekin ein schwieriges Thema plötzlich in ein lockeres Tageslicht stellen. Seine durchaus moralisierenden Einstellungen wirken dadurch nicht aufdringlich. Der Humor bewirkt, dass man sogar bereit ist, seine Weltanschauung eher zu übernehmen.

Kollege Heinz Rudolf Kunze nennt so etwas "die mobile Zirkuskirche des Herman van Veen". Er tanzt, singt, spielt Pantomime. Er erzählt, gibt den Clown und trotzdem kann man ihn nicht mit herkömmlichen Begriffen beschreiben. Herman van Veen spielt nicht, es hat den Anschein er sei es selbst.

Mit so einer charismatischen Persönlichkeit im Rampenlicht könnte man schnell vergessen, dass da auch noch erstklassige Musiker um ihn herumstehen. Zwei umwerfende Geigerinnen, ein Kontrabassist und eine Perkussionistin flankieren den Maestro unaufhaltsam. Der brilliert in einer Opern-Persiflage. Unnachahmlich imitiert er ein ganzes Ensemble. Vom hünenhaften Bariton bis zum sterbenden Sopran: Alles wird sublim ins Lächerliche gezogen. Mit vollem Körpereinsatz ufert der Choreinsatz in eine Polonaise aus. Und das alles, um dem Publikum zu zeigen, dass eine Operninszenierung auch langwierig sein kann.


Remco Ubbels





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