HELGA SEIFERT schreef 9 februari 2001 in de Rheinische Post

Tournee-Auftakt in Viersen: Standing Ovations für Herman van Veen


Wenn die Stimmen flüstern, wird dein Ohr zum Flügel



VIERSEN (RP).

Die Zeit hat Spuren hinterlassen. Bei seinen Fans - geschätzter Altersdurchschnitt jenseits der 40 - und bei ihm, dem Liedermacher, Harlekin, Poet, Gaukler, Entertainer. Herman van Veen ist wieder auf Tournee, 14 Monate lang in knapp 80 Städten in Europa und Südafrika. Das ohnehin spärliche Haar des Utrechters ("Ich habe mich seit dem 30. kaum verändert") ist weniger geworden, die Farbe Weiß hat das Grau verdrängt, und der Greis, der ab und an durch das stark geschminkte Antlitz lugt, ist nicht mehr wegzuleugnen. Aber was soll`s. Die Ausstrahlung dieses Mannes, die Faszination, die er und seine Lieder auf Menschen jeden Alters und aller gesellschaftlichen Schichten ausüben, ist ungebrochen. Das Premierenpublikum in der Viersener Festhalle entführt "Herman" von der ersten Minute bis zur letzten in seine melancholische, heitere Welt, in der Traum und Wirklichkeit, Glück und Leid, Leben und Tod, Liebe und Hass ihren angestammten Platz einnehmen. Weil das Leben nun einmal so und nicht anders ist.

"Was ich dir singen wollte." Der Titel der neuen Tournee ist Programm. Bis auf eine Ausnahme sind alle Lieder jungfräulich, noch nicht auf CD erhältlich. "Wenn Udo Jürgens reden will, dann hilft ihm sein Klavier. Ich bin nur Sänger. Darum bin ich hier." Die Texte des holländischen Barden sind in ihrer Aussage gleich geblieben: mal ganz banal, menschlich halt, dann wieder sozialkritisch, wenn er das Schicksal eines Freudenmädchens besingt, "16 Jahre, .

. . macht 65 Gulden, und später kauft du davon einen Schuss". Gänsehaut stellt sich immer dann ein, wenn van Veen Botschaften sendet. "Kyrie Eleison - für die Armen, für die Verlassenen, für die Kriegswaisen, für , für, für. . ." - minutenlanger Sprechgesang, begleitet von den glockenreinen Stimmen der jungen Geigerinnen im Hintergrund.

"Ohne Frieden kann keiner leben - ob reicher Knacker oder armes Aas". Schnitt. Aus. Der Entertainer erstarrt zur Marionette und singt - Kontrast muss sein - von einem "Teufelskerl". Von den fast 1000 Menschen im Saal hat keiner auch nur die geringste Chance, diesem Wechselbad der Gefühle zu entkommen. Der Spannungsbogen hält an bis zum Schlussakkord. Welche Dramaturgie!


Mit reinem Herzen

Requisiten setzt van Veen kaum noch ein. Schwarze Kulisse, ein leuchtender Clown-Schirm, Glitzerkonfetti und jede Menge Puppen. Kein Nebel, keine Lichtorgel - einer wie er überzeugt mit Ausdruck, Stimme und Text. Schnickschnack stände im Widerspruch zu den Bildern, die van Veen mit dem reinen Herzen eines Kindes nachzuzeichnen vermag.

Am Ende will der Applaus nicht verstummen. Zugabe folgt auf Zugabe. Erst der Abgang des Künstlers und seiner musikalischen Begleiter durch den Saal setzt den Schlusspunkt eines Premierenabends, über den man noch lange reden wird.


Von HELGA SEIFERT





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