Westfalenpost-Hagen
Hubertus Heuel

Der wie Orpheus singt

Holländischer Barde Herman van Veen philosophiert

1 okt 2009

Hagen. Fangen wir mit dem Anfang an. Denn: "Alles hat einen Anfang", sang Herman van Veen und sang von Amsterdam: "Es regnet, es regnet, und wenn es nicht regnet, fängt es an zu regnen."

Er ist alt geworden, der holländische Barde, dessen neue Tournee am Mittwoch in Hagen ihren Anfang nahm. 64. Das ist doch kein Alter, mögen Sie jetzt denken, der ist doch nicht alt. Aber van Veen ist klüger, er lässt sich nichts vormachen. Durch das Programm zogen sich wie ein roter Faden die Gespräche mit seinem Enkel und die Aphorismen über das Altern: "Ich pinkel kein Blut, ich trage keine Stützstrümpfe, schlurfe noch nicht in karierten Pantoffeln mit Stop-and-go-Schritten zur Tür oder packe die Koffer, um zu meiner Tochter zu ziehen." Denn van Veen hat schon immer ausgesprochen, was sich andere nicht trauen zu sagen, und deshalb ist sein Bekenntnis auch keine Überraschung: "Das Älterwerden ist der schönste Prozess, den ich im Leben erfahren habe."


Vor allem Musiker


Herman van Veen beschäftigt sich also mit dem Alter, aber er akzeptiert es, er verfällt nicht in Depressionen. In der Stadthalle bewies er zudem, dass er nach wie vor Philosoph, Clown, Zeitkritiker, aber vor allem Musiker ist. Mit heiserer, männlich-melancholischer Stimme sang er von der Liebe: "Du bist schön, nicht schöner, du bist anders schön; du bist gut, nicht besser, du bist anders gut; du bist weise, nicht weiser, du bist anders weise." Oder so: "Wie du riechst, lachst, stöhnst, liest, sitzt, schwitzt, kämpfst, glühst, träumst, gibst - ich liebe dich."

Doch ein Herman-van-Veen-Abend ist keine Ein-Mann-Show, neben dem so gerne und so souverän alternden Niederländer, der ja stets ein Frauenversteher war, becircten Jannemien Cnossen und Dorit Oitzinger die 900 Zuschauer mit zarten Geigentönen, während Eidth Leerkes den Meister mal wild und mal zärtlich, aber immer mit dem Können einer wahren Virtuosin, mit der Gitarre begleitete. Und am Flügel natürlich der unverzichtbare Erik van der Wurff, van Veens alter Freund aus dem kleinen Königreich hinter dem Deich, mit dem er seit 44 Jahren zusammen spielt: "Und mein Herz macht jedes Mal wieder einen Sprung, wenn ich ihn mit seinem abgenutzten Koffer den Weg hochkommen sehe."


Jung geblieben


Nein, er ist überhaupt nicht alt geworden, Herman van Veen, er blödelt, er macht Mätzchen mit Luftballons, er zieht sich die Unterhose über den Kopf. Vor 32 Jahren, er weiß es noch genau, war er erstmals in Hagen. Und solange seine Kehle noch nicht unter die Erde geschaufelt worden sei, wolle er weiter machen: "Wir kommen und wir gehen, und unterwegs begrüßen wir die Bäume, wir stellen uns unter, sitzen, sägen, nehmen Abschied ohne Reue. Wir kommen und wir gehen."

Reinhard Mey wollte wie Orpheus singen.
Herman van Veen singt wie Orpheus.