Frank Armbruster schrieb am 08.10.2001 in der Stuttgarter Zeitung

Utopist und Weltverbesserer



Herman van Veens grandioser und hoffnungsstimmender Konzertabend im Beethovensaal

Manchmal weiß er seinen Text nicht. Dann nimmt er das Programmheft und spickt hinein, aber ganz offen, sodass es jeder sehen kann. Der Mann will einem nichts vormachen. Er ist, wie er ist. Und so soll man ihn nehmen. Wenn es eine Botschaft gibt, die man nach einem Konzert des Liedermachers und Clowns Herman van Veen mit nach Hause nehmen kann, dann wohl am ehesten die: Nimm dich selbst so, wie du bist. Und leb' dein Leben jetzt, trau' dich was, verschiebe nichts auf später. Das klingt ziemlich nach Therapie, und wenn Herman van Veen nicht Sänger geworden wäre, dann hätte er wohl auch ein guter Therapeut werden können.
Die meisten Probleme, so sagte er einmal in einem Interview, kämen daher, dass wir uns nicht am bloßen Dasein freuen könnten. Das klingt etwas naiv im Angesicht der momentanen Weltkrise, aber hat er nicht Recht? Wer sich am Hier und Jetzt freuen kann, der tötet nicht für eine bessere Zukunft. Nun mag das für einen reichen Mitteleuropäer leichter sein als für einen perspektivlosen Afghanen, das weiß auch Herman van Veen. Und deshalb setzt er sich seit Jahren für die Unterprivilegierten dieser Welt ein.

Er war 25 Jahre Botschafter bei Unicef, viele seiner Konzerttantiemen spendete er für humanitäre Projekte, 1995 etwa für die amerikanischen Ureinwohner. Das macht ihn glaubwürdig, den leidenschaftlichen Weltverbesserer und liebenswerten Utopisten, der überhaupt die Hoffnung niemals fahren lässt. Dem Publikum im voll besetzten Stuttgarter Beethovensaal streckt er einfach die Hand aus: Kommt mit, ich zeig euch, was wirklich wichtig ist im Leben. Musikalisch sind es von jeher die leisen Töne, mit denen er die Herzen gewinnt. Seine Musik schmiegt sich ins Ohr, eine eingängige, zeitlos unaufregende Mixtur aus wohl abgehangenen Harmonien und freundlichen Melodien, in der sich gefällige Klassik mit Folklore aus aller Welt paart: Einfach, aber irgendwie sympathisch handgemacht. Und exzellent gespielt von seinen Begleitmusikern, allen voran der Gitarristin Edith Leerkes und der Geigerin und Sängerin Jann. Herman van Veen will kein Künstler für eine Elite sein. Jeder soll verstehen, was er macht.

Am überzeugendsten wirkt er, wenn er eigene Lieder singt, wie "Anders, anders'', eine schlichte Ode an die Einzigartigkeit jeder Liebe. Viele Texte hat ihm auch Heinz Rudolf Kunze geschrieben, doch dessen verstiegene Bilder wollen manchmal nicht so recht passen zu van Veens unprätentiöser Art. Da ist es gut, dass das Programm auch aus anderen Elementen besteht: Kurzen Lesungen, Witzen, Slapstickeinlagen und anderen kleinen Szenen, in die er die Musiker seiner fünfköpfigen Begleitband integriert.
Klug dosiert und bei aller locker wirkenden Spontaneität perfekt choreografiert ist diese Mischung. Man lacht, wenn Herman van Veen im Falsett eine köstliche Opernparodie zum Besten gibt, und wird ein wenig traurig, wenn er über Menschen singt, die nach dem Krieg in ihre Stadt zurückkommen und dort keinen Platz mehr finden.

Seine Fans lieben ihn für seine Ungeschütztheit, seine Offenheit: Da ist mal einer, der sich nicht versteckt hinter einem Künstlerimage. Der von Gefühlen ohne Pathos erzählt, bei dem es auch nicht peinlich wirkt, wenn er wie ein Seelsorger für die Mühseligen und Beladenen dieser Welt das Kyrie eleison singt. Van Veen ist ein Charismatiker, er hätte auch ein Prediger werden können und eine Gemeinde gründen. Hoffnungslos uncool. Herzerwärmend uncool. Am Ende des Programms, die Zugaben sind kaum mehr zu zählen, kommt Herman van Veen alleine auf die Bühne, stülpt die Hosentaschen nach außen: Sie sind leer. Er hat uns alles gegeben. Wir haben viel mitgenommen. Und die Welt ist, zumindest an diesem Abend, ein klein wenig besser geworden.



Von Frank Armbruster





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