Alexander Föll schrieb am 08.10.2001 in den Stuttgarter Nachrichten

Herman van Veen war zu Gast in der Liederhalle
Hermans heile Welt



Vor seinen Liedern und Texten muss man einfach kapitulieren. Solch eine geballte Ladung an Poesie, Optimismus und Lebensweisheit ist nicht leicht wegzustecken. Man(n) läuft bei Herman van Veens Konzerten Gefahr, plötzlich zu einem besseren, gefühlvolleren Menschen zu werden.

Am Freitag präsentierte der ungenierte Holländer sein neues Programm "Was ich dir singen wollte'' in der Stuttgarter Liederhalle und erntete entrückt lächelnde Gesichter und Ovationen im Stehen. Der Meister der leisen Töne hat eine treue Fangemeinde, die den 56-Jährigen für seine offene, unverstellte Art auf der Bühne schätzt.

Van Veen ist zwar ein Softie, der gefühlsbetonte Balladen wie "Anders anders'' oder "Anne'' immer noch singen kann, ohne unglaubwürdig zu wirken; einer, der sich in der neuen Nummer "Mein kleiner großer Schatz'' sehr poetisch über die Liebe zu Tochter und Enkel auslässt; aber Herman kann auch anders: zum Beispiel, wenn er vorgibt, seiner Geigerin an die Wäsche zu wollen. Dann versucht er sie zu überreden, ihm und dem Publikum ihre "Titties'' zu zeigen. Bei einer Trommelnummer à la "Stomp'' geriert er sich gar als unterleibsgesteuerter Fruchtbarkeitstänzer.
Passt das zusammen? Aber ja: Im Programm des Flamen aus Utrecht stehen Kalauer mit längst überschrittenem Haltbarkeitsdatum ("Wie begeht ein Heldentenor Selbstmord? - Er stürzt sich von seinem Ego mitten in seinen IQ'') scheinbar bruchlos neben sentimentalen Erinnerungen an die vor kurzem verstorbenen Eltern ("Sprich mit mir'').

Gerade das Oszillieren zwischen Verletzlichkeit und Vulgarität, die gewollte Dialektik zwischen clowneskem Nonsens und Seelenstriptease macht die Glaubwürdigkeit dieses Entertainers aus. Van Veen ist alles auf einmal: der kleine Junge mit dem Vater im Badehaus ("Ich war so froh, denn er hatte ebenfalls Bremsspuren in der Unterhose''), der Revue-Zampano mit blinkendem Skelett-Schirm, der alternde Künstler, der in "Einst kommt der Tag'' über sein eigenes Ende nachdenkt.
Unterstützt wird van Veen von einer sehr guten Begleitband, zum Großteil junge Musiker, die auch einzeln glänzen dürfen. Vor allem die Multiinstrumentalistin Wieke Garcia begeisterte mit ihren Einlagen auf Dudelsack, Harfe und Zeitungspapier (als Percussion-Instrument).

Und wem der kuschelige Auftritt des Barden allein nicht reichte, der konnte sich am Merchandising-Stand mit T-Shirts, CDs, Büchern und gelben Van-Veen-Schirmen versorgen. Wahrlich: Es gibt kein Entrinnen aus Hermans heiler Welt.



Alexander Föll





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