Rudolf Teipel schrieb am 08.04.01 in Aachener Nachrichten-Online

Stehende Ovationen für Herman van Veens neues Programm

Poet voll gnadenloser Menschenliebe



Aachen .

Heiß ersehnt von seiner Fan-Gemeinde: Herman van Veen ist nach zwei langen Jahren der Bühnenabstinenz wieder auf Tournee. Gleich zwei Konzerte standen für Aachen auf seinem Tour-Kalender. Sie bewiesen: Ganz neu ist er doch immer noch der Alte.

Und so ging es denn wieder über die Bühne des Aachener Eurogress - jenes Weihespiel um Weltschmerz und Melancholie, Clownerie und Slapstick, und nicht zuletzt um grandiose und berührende Musik, so wie es nur der Rampen-Irrwisch Herman beherrscht.

Immer wieder lustvoll und gleichwohl von vorne herein zum Scheitern verurteilt ist dabei bei seiner Zuhörerschaft das beliebte Ratespiel, ob der Utrechter van Veen nun eher der poetische Weltverbesserer, ein Minnesänger voller Sentiment, oder doch vielleicht der Weiß-Clown in einer Welt-Manege voller Tragödien und Komödien ist. Van Veen ist dies alles und doch wieder nicht. Er ist einfach nur er selbst.

"Was ich Dir singen wollte" lautet der Titel seines neuen Programms. Und der führt ein wenig in die Irre. Denn während der van Veen der Anfangsjahre ("Zuerst wurde ich in Flandern weltberühmt") noch in erster Linie ein Barde der großen Gefühle und eine Art vortragender Legationsrat des Weltschmerzes war, und sich in den Tourneen der späten 80er Jahre in ausufernden Pantomimen und szenischen Collagen zu verzetteln drohte, blitzt bei Herman 2001 nun eine bislang ungekannte Musizierfreude auf.

Brillante Soli

Das wird seinen Pianisten und seit den Anfängen getreuen Sancho Pansa Erik van der Wurff freuen, wie sich van Veen an brillante Geigen-Soli traut und sich mit seiner ausgezeichneten Band - namentlich Geigerin/Sängerin Jann und die klassische Gitarristin Edith Leerkes sind hervorzuheben - in faszinierenden Tutti-Passagen geradezu duelliert.

Das Musik-Text-Verhältnis im neuen Programm ist etwa 50:50. Das mag jene van Veen-Aficionados betrüben, die seine geradezu süchtig machenden Texte voller Poesie und Melancholie über alles lieben. Aber es gibt sie auch noch beim aktuellen Herman.

Der mittlerweile 56-jährige reflektiert im neuen Programm unter anderem den Tod seiner Eltern im vergangenen Jahr. Etwa mit einem hinreißenden Text, in dem er schildert, wie er als Achtjähriger mit seinem Vater erstmals ins Badehaus geht. Oder, wenn er über seine Mutter sagt: "Mama ist jetzt schon ein Jahr tot. Aber sie ruft mich immer noch jeden Tag an."

Aber van Veen kann auch anders. Härter als früher, beinahe ein wenig zynisch: "Henk ist auch schon tot. Hoffe ich. Denn sie haben ihn gestern begraben". Und dann sind sie doch wieder da, neue Liebeslieder im vertrauten, alten Stil: "Für Marie-Louise", "Sprich mit mir". Es bleibt dabei, vor diesem Poeten voller gnadenloser Menschenliebe ist nach wie vor niemand sicher. Schon gar nicht das frenetisch jubelnde Aachen.



Rudolf Teipel





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