Aww schrieb am 07.11.2005 in der Siegener Zeitung




Aus dem Schlummer gerissen


Hut ab!": Herman van Veen begeisterte 1200 Fans in der Siegerlandhalle


aww Siegen. Müde ist er noch kein bisschen, der Herman. Auch mit seinen 60 Jahren noch nicht. Auch nach über vier Jahrzehnten im Geschäft nicht. In einem seinem Freund und Weggefährten Erik van der Wurff gewidmeten Lied - die beiden musizieren seit 42 Jahren zusammen - kündigt er gleich 40 weitere Jahre "Zugaben" an. Es wird wohl noch viele davon geben. Einen Vorgeschmack bekommt das Publikum am Samstagabend in der gut besuchten Siegerlandhalle. Rund 1200 Van-Veen-Fans haben sich eingefunden, um dem Meister an den Lippen zu hängen. Gute zwei Stunden "offiziell", dann noch einmal in einem ausgedehnten Zugabenblock, der für sich ein kleines Konzert abgeben könnte.

Er hat offenbar noch viel vor, dieser unberechenbare Entertainer, Harlekin, Geschichtenerzähler, Moralist, Gesellschaftskritiker, Possenreißer, Herumalberer, Tiefsinnierer, Philosoph, Humanist, Schreiber, Mime, Geiger und famose Sänger. Wenn die viel bemühte wie abgedroschene Phrase vom "Wechselbad der Gefühle", in das ein Publikum gestürzt wird, auf einen Künstler zutrifft wie auf sonst keinen, dann auf Herman van Veen. In der einen Sekunde wiegt er sein Publikum in einen süßen, sicheren Schlummer, um ihm in der nächsten mit aller Brutalität das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. Etwa wenn er die Erzeuger auffordert, ihren Kindern mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen - wie schnell sind sie groß. Die afrikanische Version, die dann folgt, hat indes einen ungleich tragischeren Ausgang ...

"Hut ab!" heißt die aktuelle Tournee des Mannes mit den weit über 100 CD-Veröffentlichungen, der sich eine exquisite Begleitmannschaft mit nach Siegen gebracht hat. Bereits erwähnt: der etwas stoisch wirkende Erik van der Wurff (Flügel, Akustik-Bass, Akkordeon). Dann die exzellente klassische Gitarristin Edith Leerkes, deren ausgesprochen geschmackvolles und versiertes Spiel das tragende Element eines überwiegendes Teils der Arrangements bildet. Die gebürtige Spanierin Wieke Garcia präsentiert sich als vielseitige Musikerin zwischen facettenreicher Percussion-Begleitung, Harfe und Gesang. Als gewandter Akkordeonist ergänzt der Moldawier Oleg Fateev das Klangbild, während Jannemien Cnossen (im "anderen Leben" auch als Jazz-Sängerin Jann unterwegs) neben dem Chef selbst für den Löwenanteil der Geigenarbeit verantwortlich zeichnet. Zwischen sozialkritischen, nachdenklich stimmenden und sehr ernsten Momenten und purem Slapstick (die Gitarrennummer hätte Pete Townshend nicht besser hinlegen können) pendelt Herman van Veen mühelos, das alles gestützt von gnadenlos guter Musik. Brillant: die witzige Persiflage auf den klassischen Pianoforte-Spieler (oder war es Fortepiano?) oder auch die geniale, vor Schmelz triefende Panflöten-Imitation. Herman van Veen weidet sich sichtlich am Beifall, lässt sich feiern, und das Publikum tut ihm den Gefallen. 60 Jahre ist er und kein bisschen müde. Seine Zuhörer, die gar nicht genug bekommen können, übrigens auch nicht ... 60 Jahre und kein bisschen müde : Herman van Veen