Brausender Klaus-Peter Heß schrieb am 07.05.01 in der Münstersche Zeitung

Konzert: Herman van Veen im Zwiegespräch mit seinen Freunden
Die Wahrheit und wie sie klingt



Münster. Auf den Gongschlag ist es 20 Uhr.

Beifall.
Minuten lang. Den Künstlerlohn, der seinen Kollegen erst zum Ende Ihrer Vorstellung vergönnt ist, erhält Herman van Veen gleich zu Beginn seines Auftritts in der Halle Münsterland. Noch bevor er nur einen Ton gesagt und gesungen hat. Eine Verbeugung reicht. Es ist eine seit vielen Jahren gepflegte Begrüßungszeremonie. Van Veen ist eben „anders anders" als die anderen. Und sein Publikum ist freundlicher freundlich. Das passende Lied dazu erklärt das Verhältnis gleich in drei Sprachen: in Deutsch, Französisch und Niederländisch. Hermans Idiom ist international. Nicht nur sprachlich.

Ein Sänger ist er und Musikant, ein Harlekin und Zauberer, ein Dichter und Denker, ein Pantomime und Parodist. Dafür hat man schnell den Begriff „Multitalent" bei der Hand. Eine nur unzureichende Vokabel für jemanden, der sich nur nicht beschränken lassen will und der sich nicht beschränken kann. Herman van Veen und seine Freunde auf und vor der Bühne bilden ein Gesamtkunstwerk. Dabei ist es seine Aufgabe, mit Stimmungen zu jonglieren wie Kleinkünstler mit Kugeln und Keulen. Er macht lachen und weinen. Bei ihm darf man laut losprusten, um schließlich bestürzt innezuhalten.

Soeben beschäftigte er sich noch belustigt mit den Verschiedenen Formen von weiblichen „Titjes", dann singt er ein jiddisches Lied das er all jenen widmet, „die diese ermordete Sprache vermissen". Der humorvollen Geschichte von seinem ersten Besuch im Badehaus von Utrecht, in das ihn sein Vater als Achtjähriger mitnahm, folgt ein Lied über den Todesengel, der für Lennon, Kennedy und Anne Frank eingeteilt war, bevor ihn Gott kaltstellte. In den Versen des Poeten aus dem „vlakken Land" bleibt an manche Widerlichkeit des Lebens hängen.

Aber „die Wahrheit", so sagt er, „ist viel besser zu begreifen, wenn sie klingt." Dafür sorgen seine kraftvolle Stimme und seine sechsköpfige Begleitung, die mit Erik van der Wurff (Piano), Edith Leerkers (Konzertgitarre), Jann und Maria-Paula Majoor (Violinen), Thomas Dierks (Kontrabass) und Wieke Garcia (Harfe, Dulcimer und Perkussion) hochkarätig besetzt ist. Viele ihrer vielseitigen musikalischen Einlagen sind wie Entspan-nungsübungen im spannungsreichen Nachtprogramm des Hofnarren und Moralisten. Und wenn die Mitspieler Pause haben, sorgt Herman mit dem rollenden R auch schon selbst mal für Luft zum Atemholen. Wie in der von ihm in verteilten Gesangsparts parodierten Sterbeszene aus einer nie geschriebenen Oper. Und das Witzchen zum Höhepunkt: „Wie begeht ein Heldentenor Selbstmord? - Er stürzt sich von seinem Ego in seinen IQ"

Van Veen dürfte weder mit seinem Selbstbewusstsein noch mit seinem Intelligenzquotienten Probleme haben. Die Welt, die er wie aus einer Fenster beobachtet, ohne sich selbst dabei aus dem Fenster zu lehnen, macht ihm allerdings einige Sorgen. Der Stoll für weitere Kommentare wir ihm deshalb wohl nicht so schnell ausgehen. Auch wenn das Publikum ihn dazu dräng, davon noch möglichst viel an diesem Abend abzuarbeiten und ihm eine Zugabe nach der anderen abverlangt. Doch de 56-jährige van Veen, von seinem "kleinen Fratz" inzwischen zum stolzen Großvater gemacht „und von seinen Eltern verlassen", hält die Abschiedszeremonie kürzer als sonst. „Nur noch ein Lied, dann mache ich echt Schluss", sagte er zum Abschied. Inzwischen ist es elf Uhr geworden.



Klaus-Peter Heß





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