Bettina Cosack schreef 6 december 2003 in de Berliner Zeitung

Der Entertainer als Ententrainer

Herman van Veen tut wieder Gutes und rettet das Land Congabonga

BERLIN, 5. Dezember. Vor dem dicklichen Grauhaarigen liegen drei Brötchenhälften, roher Schinken bedeckt die erste, gelber Käse die zweite, ein ordentlicher Berg Kräuterquark die dritte. Der Dickliche ist Fotograf, er soll Herman van Veen fotografieren, der gerade seinen Unicef-Film "Abgemacht ist abgemacht" vorführt. Der Film wirbt für die Rechte der Kinder, die 1989 in einer UN-Konvention festgelegt worden sind. Er erinnert daran, dass alle Kinder dieser Welt beschützt werden müssen, dass sie spielen dürfen sollen, glücklich sein sollen, zur Schule gehen sollen, keine Soldaten sein sollen und ein Recht auf Gesundheit haben sollen.
Sollen, sollen, sollen. Abgemagerte Kinder sind auf der Leinwand zu sehen, durstige Kinder, hungrige Kinder, Kinder, die arbeiten müssen, Kinder, die auf den Strich gehen müssen. Am Ende des Films ist die holländisch-singsangende Stimme Herman van Veens noch einmal zu hören. Die Stimme sagt: "Abgemacht ist abgemacht. Sein Versprechen muss man doch halten."
Der Fotograf hat die Schrippen vertilgt, er leckt jeden Finger der rechten Hand ab, einzeln, je drei Mal. Jetzt ist er satt. Ob der korrekte Herman van Veen vorn auf dem Podium das gesehen hat? Herman van Veen ist 58 Jahre alt und schlank, ein altes Kind. Schon ewig hat er eine Glatze, gelachfältelt ist sein schmales Gesicht längst, und doch wirkt er jungenhaft. Vielleicht, weil er so anrührend singen und geigen und Quatsch machen kann. Vielleicht, weil immer nur milde Gedanken in seinem poetischen Hirn herumschweben, milde oder fürsorgliche oder lustige oder tröstende, je nachdem. Vielleicht sieht er auch so frisch aus in seinem schwarzen Anzug und seinem roten Pullover, weil er auf einem alten Bauernhof wohnt, keine Tiere schlachtet und nach der Arbeit auf dem Hof von einer schönen, jungen Bäuerin, die auch noch Ballett-Tänzerin ist, gehätschelt wird.
"Ich bin ein Kriegskind", sagt Herman van Veen, der vier eigene erwachsene Kinder hat und einen kleinen Enkel, "ich bin der lebende Beweis dafür, dass es Hilfsorganisationen gibt." Ohne die Unicef oder das Rote Kreuz, sagt er, der aus Utrecht stammt, hätte es viele holländische Kinder gar nicht gegeben. In seiner neuen Autobiografie "Unter einem Hut" schreibt er: "Zum Glück warfen kanadische Flieger im März 45 Lebensmittel über der Stadt ab, und so landete eine Konservendose in unserem winzig kleine Garten. Ein Geschenk des Himmels."

Nicht jeder hat die Gabe, Geschenke des Himmels als solche zu erkennen und dann auch noch zurück zu schenken. Mit siebzehn hat sich Herman van Veen als Freiwilliger bei der Unicef gemeldet, er unterstützt die Organisation demnach seit 41 Jahren, war lange Zeit Unicef-Botschafter, er hat selbst kleinere Hilfsorganisationen wie Columbine gegründet. Er habe, sagt er, sein Leben immer quotiert, eine Hälfte Karriere, eine Hälfte Engagement. Seit mehr als 25 Jahren steht er auf der Bühne, es gibt 60 Platten von ihm oder mehr; die mit dem Titel "Ich hab ein zärtliches Gefühl" machte ihn europaweit bekannt. Er hat die Welt bereist mit seinen Liedern, seinen Musikern. Er sagt kühne Sätze wie diese: "Es kann passieren, dass ich im Funk etwas höre und denke: Schön! Und dann: Verdammt, das bin ja ich! Gerade wird ein Buch mit meinen Liedern veröffentlicht. Anscheinend habe ich 3000 Lieder geschrieben."
Manche Mitmenschen machen solche Sätze, die vor kindlich-protzender Naivität nur so triefen, aggressiv. Manche können auch Männer nicht ertragen, die sagen: "Genieße es, eine Schneeflocke zu sein. Einmalig, aber vergänglich." Das ist ja auch schwer auszuhalten. Konzert-Kritikerinnen, die vermutlich früher zu "Weißt Du wie es war" in die Kissen geheult haben, schlagen dann um sich und schreiben: "Wenn Herman van Veen etwas Besonderes erlebt hat, muss er bald Gebrauchslyrik daraus machen."
Vermutlich muss man sich selbst sehr lieben, um auch Herman van Veen lieben zu können, den Clown in der zärtlichen Gestalt, den verletzlichen Revolutionär und feinnervigen Illusionisten und was er sonst noch alles sein soll. Er selbst nennt sich manchmal Troubadour, manchmal Entertainer. Und manchmal wird der Entertainer zum Ententrainer. Momentan engagiert Herman van Veen sich für die Aids-Waisen in Afrika und gastiert mit seinem Familienstück "Lachen verboten" im Theater am Kurfürstendamm. In der Hauptrolle einmal wieder: Alfred Jodocus Kwak, die nette Ente, die van Veen schon vor vielen Jahren während eines Telefonats erfunden hat, weil eben eine solche vor seinem Küchenfenster vorbeiwatschelte.
Alfred J. Kwak also, der in Groß-Wasserland in einem Holzschuh wohnt, ist ebenfalls Unicef-Bootschafter. Kinder kennen ihn aus der gleichnamigen Zeichentrickserie, es gibt sogar eine Kwak-Oper, und Bücher gibt es auch. Die "Lachen verboten"-Geschichte ist erschreckend schlicht, eine Parabel, wie ihr Erfinder sie nennt. Also: Alfred J. Kwak erfährt, dass im afrikanischen Congabonga eine geheimnisvolle Krankheit ausgebrochen ist. Den männlichen Tieren ist ihr Du-weißt-schon abgefallen, weil sie giftige Wurzeln gefressen haben. Jede Bewegung ist gefährlich, Bauchwackeln besonders.

Auf dem Zeitfahrrad

Alfred, der mal von Herman van Veen gespielt wird, mal von der hinreißenden isländischen Blondine Lilja Hermannsdottir, reist, um es kurz zusammenzufassen, auf einem imposanten Zeitfahrrad durch die Welt. Kwak sammelt Samenkörner, erobert das Buch der Weisheit, lernt den Regentanz und produziert am Ende goldene Wassertaler. Damit können die Congabonganer Pattexamol kaufen, um die Du-weißt-schons anzukleben. Ente gut, alles gut. Und die Getreidewirtschaft ist auch gesichert.
Klingt sehr kindlich und ein bisschen albern auch? Stimmt. Aber alle auf der kargen Bühne, auf der nur die vielen Instrumente stehen, haben Spaß beim Singen und Tanzen, man sieht sie gerne wirbeln. Und der 58-jährige Herman im Zentrum des um ihn kreisenden weiblich-jungen Ensembles hat vielleicht am meisten Sinn für jeden Unsinn und für das Tränenabschlecken und das lockere Tanzen mit "leichten Po-Bewegungen", wie er das nennt. So lässt es sich bequem älter werden im Land des Benefizes.
Zwei reife Mädchen aus vergangenen Tagen, die schon sehr lange wissen, was ein Du-weißt-schon ist, basteln in der Pause an einem braunen Umschlag herum, malen mit Glitzerstift Sterne und Herzchen und schreiben Herman van Veen drauf. Was mag drinnen sein? Vielleicht "Der kleine Prinz". In seinem neuen Buch schreibt der Troubadour van Veen: "Der Bücherschrank steht voll mit ,Kleinen Prinzen . Krieg jedes Jahr bestimmt ein Dutzend. Ich hänge nicht an dem Buch. Warum bewahre ich die Exemplare dann auf?" Ja, warum, kleiner Prinz und großer König? Weil jeder bekommt, was er verdient.
Bootschafter // Herman van Veen, 1945 im niederländischen Utrecht geboren, ist Sänger, Musiker, Kabarettist. Seit 41 Jahren engagiert er sich für Unicef, das UN-Kinderhilfswerk.
Alfred J. Kwak, der nette Enterich, der sich Bootschafter nennt, hilft immer wieder bei der Unicef-Arbeit.
Der neue Comic "Alfred Jodocus Kwak - Lachen verboten" erschien im Aufbau-Verlag und kostet 13,90 Euro. "Lachen verboten" heißt auch das Kwak-Musikstück, mit dem van Veen bis zum 30. Dezember im Theater am Kurfürstendamm Berlin gastiert.
"Unter einem Hut" lautet der Titel der "lebendigen Erinnerungen" van Veens mit Geschichten, Gedichten und Liedtexten (Rütten & Loening, 12,90 Euro).
BERLINER ZEITUNG Engagiert sich für die Aids-Waisen in Afrika: Herman van Veen.
AUFBAU-VERLAG Alfred Jodocus Kwak, die hilfreiche Ente