Steffen Rüth schreef 06102001 in de Zuertipp (CH)

Der Schalk der melancholie



Herman van Veen: «Was ich Dir singen wollte»

«Die Botschaft staubt so trocken, wenn das Wort allein sie bringt. Die Wahrheit ist viel besser zu ertragen, wenn sie klingt.» Der holländische Liedermacher Herman van Veen gastiert in Zürich.

Ein sympathischer Mann, ein schönes Konzert. Ein Abend mit Herman van Veen beschränkt sich bei weitem nicht auf bloss lockere und luftige Unterhaltung, der 56-Jährige versteht es wie kein Zweiter zu inspirieren, zum Nachdenken anzustiften, gleichermassen Trost und Freude zu spenden. «Was ich Dir singen wollte» hat der gross gewachsene Fastglatzkopf aus Utrecht in den Niederlanden sein aktuelles Programm betitelt. Und da es auf CD noch nicht erschienen ist, kann der Fan was richtig Neues erleben. «Es wird schon mal an dunklen Tagen das Leben unerträglich schwer / zuweilen kann man sich schon fragen, ob man lieber nicht geboren wär / komm dann zu mir, um dich zu wärmen, ich mach ein Zimmer für dich klar / Ich werd' dich wiegen in meinen Armen und dir streicheln übers Haar», so geht ein Vers des Stückes «Für Marie-Louise», das Van Veen als eines der ersten präsentiert und damit ziemlich exakt die Richtung des Abends beschreibt.

Schlicht, aber nicht banal

Es ist keine leichte Sache, dieser Tage angemessen zu unterhalten. Die Welt ist weniger witzig als noch vor Wochen, die so genannte Spassgesellschaft hat bis auf weiteres Pause, Flachsinn ist nicht gefragt. Van Veens Sache ist dieser allerdings sowieso nicht. Nie gewesen. Wer auf der Suche nach Zynismus oder Bitterbösartigkeiten ist, der wird bei Van Veen nicht auf seine Kosten kommen. Wem es jedoch nach freundlicher Ironie, Alltagsaufrichtigkeiten und kleinen persönlichen Anekdoten aus dem Erfahrungsschatz des Künstlers und Conférenciers ist, der wird seine Freude haben.
Schlicht mögen einige seiner Nummern aufgebaut sein, banal sind sie nicht. Köstlich etwa die Geschichte «Im Badehaus», in der Herman seinen ersten gemeinsam mit dem Vater unternommenen Besuch in der städtischen Duschanstalt schildert. Oft freilich driftet Herman van Veen ab in Richtung Melancholie und Vergänglichkeit. Denn seine Eltern sind nicht mehr. Kurz nacheinander verstorben, vor etwas mehr als einem Jahr. Der Verlust hat ihn geprägt, verändert. «Der Tod meiner Eltern hat sich revolutionär auf mein Leben und meine Arbeit ausgewirkt. Ich bin jetzt das Gewissen meiner Eltern. Sie waren gigantisch lieb, und ich kann es mir nicht leisten, schlechter zu sein als sie. Meine Eltern sind zwar körperlich nicht mehr da, aber sie sind noch vollkommen in meinem System.»
Tod und Vergänglichkeit ziehen sich folgerichtig durch diverse Programmpunkte, aber in Tränen ausbrechen muss deshalb niemand. «Franz ist auch schon tot», sagt Van Veen, als er die verblichenen Freunde aufzählt, «zumindest hoffe ich das. Man hat ihn nämlich gestern begraben.»

Abgeklärt, aber nie routiniert

Was genau der Holländer da auf der Bühne treibt, war nie ganz leicht zu ermitteln, einfacher ist es auch nach vier Karrierejahrzehnten und 110 veröffentlichten Alben in fünf verschiedenen Sprachen nicht geworden. Der Rocksänger Heinz-Rudolf Kunze äussert sich in Van Veens aktuellem Programmheft folgendermassen: «Einem Herman van Veen kommt man beschreibend nicht bei. Viele werden müde geboren, der grösste Teil der Übrigen wird spätestens Mitte zwanzig lau und traurig... Van Veen dagegen brennt. Leuchtet. Sendet. Tobt.» Und der vielseitige Künstler selbst sagt über sich: «Ich möchte mit meiner Kunst Energie vermitteln, positive Energie, positive Kollektivität.» Abgeklärt ist er, ohne Frage, gelassen auch, aber der angenehme Eindruck nach zweieinhalbstündiger Bühnenshow ist der, dass von lähmender oder gar lahmer Routine bei Herman van Veen nichts zu spüren ist.

Dem Mann macht das ersichtlich Spass, was sich auch in der furiosen, oft augenzwinkernden Interaktion mit seinen Musikern zeigt. Diese sind bemerkenswert jung. Mit Ausnahme natürlich von Pianist Erik van der Wurff, der seinen alten Schulfreund schon seit den Anfangstagen gekonnt und zurückhaltend begleitet. Neben Bassist Thomas Dirks erfreuen dann drei junge, so talentierte wie attraktive Damen.

Als da wären: Die Gitarristin Edith Leerkes, die Geigerin Jannemien Cnossen - die Herman in einer lustigen Nummer vergeblich zum Öffnen ihrer Bluse animiert, worauf er zu einer auf holländisch gehaltenen Tirade über «Tittels» ansetzt - und die spanische Perkussionistin Wieke Garcia. Alle chic in Schwarz gekleidet, alle blendend harmonierend. Gerade wenn es darum geht, den Akzent vom allzu sehr Besinnlichen ins Heitere, ja Ausgelassene zu verlagern, erweist sich die Band als echtes Goldstück. Es ist wirklich lustig, wenn die Musiker Van Veen die Schau stehlen, Jannemien gar eine grandiose Jazzballade singt und Herman sich trotzig die Unterhose auf den Schädel setzt, um auch mal wieder ein bisschen Aufmerksamkeit zu heischen.


Zürich, Volkshaus





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