Pamela Broszat schrieb am 05.12.2005 in der NRZ Düsseldorf


Jawoll: Hut ab!


Tonhalle/ Van Veen ist wieder da. Und wieder ist er so sanft gemein, wenn man gerade völlig hingerissen ist.


Hut ab. Eine Dreiviertelstunde lang gelingt es dem Publikum Herman van Veen wieder und wieder für weitere Zugaben herauszuklatschen, dann gehen in der Tonhalle endgültig die Lichter an. Der 60-Jährige zeigt Kondition, selbst nach einem Konzert, bei dem er und seine Band drei Stunden Faszination geboten haben. In den Stuhlreihen sitzen überwiegend Veteranen der Ostermärsche, aber auch ein Twen mit Eminem-Shirt kann sich offenbar für den Moralpoeten begeistern.

Also Hut ab für den gebbürtigen Utrechter, der seit 40 Jahren auf der Bühne steht und ebenso lange auf dem schmalen Grat des unterhaltsamen Pazifismus tanzt. Auch bei seiner Tournee "Hut ab" beginnen seine Lieder durchweg freundlich.

Harmlos erzählt er davon, wie seine Mutter ihn als Jugendlichen gefragt hat, ob er seine Hausaufgaben gemacht habe. Nachdenklicher stimmt die zweite Strophe, in der er feststellt, dass die Huren längs der Straße inzwischen so jung sind, dass sich auch bei ihnen die Frage nach den Hausaufgaben stellen würde. Der Refrain, der in der ersten Strophe die liebevolle Nachfrage einer behütenden Mutter war. lässt im dritten Vers den Hals eng wer den, wenn es für US-Soldaten heißt: "Waren deine Hausaufgaben fertig, ist alles erledigt mein Schatz, bevor du so verwundet wurdest im Irak?"


Kuschelig, bitter


Wenn van Veen auf der Bühne steht, die Violine in der Linken, ragt der Bogen wie ein verlängerte r Zeigefinger in die Höhe. Doch statt mit dramatischer Geste Moralin zu verteilen, setzt er in diesen Momenten auf Ironie: "Mein Enkel heißt wie sein Opa - Sebastian - ich hätte mehr zu Hause sein sollen. "Bitter wird er immer unerwartet. Wenn er im Gewand des Frauenverstehers eine Ode an mütterlilche Kompetenzen und väterliche Defizite präsentiert und jede Strophe mit einem kuscheligen "wieg es sanft in deinen Armen, bevor du merkst ist es schon groß" abschließt. Denn für afrikanische Eltern gilt: "Wieg es sanft in deinen Armen, bevor du merkst, es ist schon tot".

Klassiker präsentiert der Entertainer bei den Zugaben - und braucht bei Hymnen wie "Kleiner Fratz" tatsächlich ein Textbuch. "Ah. ich habe noch eins gefunden, das ist von 1971", stellt van Veen heiter fest und bekommt aus dem Publikum eine ebenso fröhliche Replik: "Ach, da war ich zwei Jahre alt".