Katrin Pauly schreef 4 december 2003 in

Herman van Veen: Wer nicht fragt, bleibt dumm

Dem Herman ist gerade ein wenig "bang": Eben wurden die Gruppen für die Fußball-EM 2004 verkündet, die Holländer müssen im ersten Spiel gegen die Deutschen spielen. "Unsere EM-Gruppe ist ein Horror", findet er. Dann lacht Herman van Veen und malt mit großen Händen Gesten auf den Tisch, vielleicht wischt er auch nur die Krümel vom Christstollen beiseite: "Lachen ist weniger Bangsein. Weniger Bangsein ist der Beginn von Frieden." Es ist ausgeschlossen, mit Herman van Veen nicht über die großen Probleme dieser Welt zu reden: Er erzählt von einer Ente, tut weiße Gänse dazu und landet bei der Apartheid, er beginnt mit einer roten Tomate und kommt beim Terrorismus an.
Seit über 30 Jahren unterhält van Veen als Clown, Sänger und Lach-Macher. Trotzdem heißt seine neue Produktion für Kinder, die jetzt im Theater am Kurfürstendamm zu sehen ist, "Lachen verboten". Seit 1977 steht van Veen zum ersten Mal wieder mit der aufgeweckten Ente Alfred Jodokus Kwak, die auch als Zeichentrickfigur Weltruhm erlangte, auf der Bühne. Im afrikanischen Congabonga wurde offiziell das Lachen verboten. "Es gibt eine Krankheit dort, die Leute haben giftige Wurzeln gegessen, weil sie Hunger hatten. Lachen ist lebensgefährlich, weil durch das Bauchschütteln dein ,Du-weißt-schon-was' früher abfallen kann." Noch mal in der, wie van Veen sagt, "Große-Menschen-Sprache: "Es geht darum, eine Konversation einzuleiten: Die Parallele ist Aids, auch wenn das Wort nicht fällt." Rund 25 Jahre lang war van Veen Botschafter für Unicef, hat Stiftungen gegründet, mit denen er sich weltweit für die Rechte der Kinder einsetzt.
Aber was kann eine kleine Ente wie Alfred schon tun gegen Aids? "Die Qualität von Alfred ist: Er hört nie auf, ,Warum?' zu fragen." Würden die Menschen "warum" fragen, hätte es einen wie Bin Laden vielleicht nicht gegeben. Noch was ist ihm wichtig: "Wir brauchen mehr denn je ein historisches Bewusstsein. Sonst passieren Sachen immer wieder. Das Holocaust-Mahnmal ist wichtig und der Palast der Republik muss stehen bleiben."
Der zehnjährige Herman, dem man eine Violine schenkte und der ganz doll in seine Geigenlehrerin verliebt war, wollte der auch schon immer alles wissen? "Wissen ist nicht so mein Ding, ich wollte verstehen. Wenn sich jemand nicht die Mühe gibt, es mir zu erklären, bin ich verloren."
Jetzt ist er 58 muss nach dem ganzen Verstehen inzwischen ziemlich klug sein. Da will man doch wissen, was er denn täte, wäre er König von Europa. Kluge Antwort: "Als Erstes würde ich mich selber entlassen." Davon verstehe er nun mal nichts. Um drei Dinge jedoch müsste er sich vor der Entlassung noch kümmern: Erziehung, Gesundheit, Entwicklungshilfe. Wenn dafür nicht gesorgt sei, bekomme man eine Gesellschaft, so wie sie ist, ein apathisches Chaos, sagt der Clown traurig. "Vielleicht ist es so, dass wir Menschen ein Virus sind. Wir bringen die Welt um. Vielleicht gibt es Holland in 120 Jahren gar nicht mehr." Die Fußball-EM allerdings wird die Erde schon noch erleben.