Bettina Kugler schrieb am 04.03.2002 im Tageblatt

Ein schönes, grausames Geschenk



Mit seinem inzwischen 50. Album in deutscher Sprache ist Herman van Veen derzeit auf Tournee - ein Porträt

Clown und Liedermacher ist er, Poet und Geschichtenerzähler - ein Dialogkünstler, der einst am Konservatorium Gesang und Geige studierte, seinen Stil aber als "aktuelle Volksmusik" bezeichnet: kommunikativ, nicht elitär, heutig und geschöpft aus dem Strom der Erinnerungen. Erinnerungen zum Beispiel an den Abend, an dem ihm das Publikum am Ende 900 Rosen auf die Bühne legte. An den "komatösen" Augenblick, als ihm in New York plötzlich zwei Saiten seiner Geige rissen. "Das kannst du dir nicht vorstellen, diese Panik. Eine Sekunde später habe ich gemimt, dass ich Geige spiele. Und da war es überstanden", erzählt Herman van Veen vor dem Konzert in Basel.

Seit vielen Jahren kommt er regelmässig in die Schweiz, diese "Insel auf dem Festland", die ihn an Paris erinnert und es "so verdächtig viele Clowns und Komiker" gibt. "Es muss hier etwas Lustiges in der Luft liegen, eine Leichtigkeit, die ich nicht erklären kann. Im übrigen Europa ist Humor immer vermischt mit Tragik. Nicht so in der Schweiz. Lachen funktioniert hier ohne Schmerz."


Die Weisheit des Hofnarren

Journalistenfragen entlocken ihm Erinnerungen an Begegnungen, an Erlebnisse, die mehr sagen als eitle Selbstbeschreibungen. Die "Weisheit des Hofnarren" hat Sängerkollege Georges Moustaki an ihm gepriesen, "die Brutalität des Moralisten", der vorgebe, nur zu unterhalten. "Er meint damit: Ich tue so, als spielte ich mich selbst. Kompliziert, nicht wahr? Das kippt, wie ein Bild von Escher." Und weil der Clown nicht anders kann, geht Herman an den Spiegel, spricht mit seinem Spiegelbild, "und dann musst du dir vorstellen, dass hinter mir ein dritter Herman steht und mir über die Schulter guckt." Er sei kein Schauspieler, kein Entertainer, sondern eben Herman. "Authentisch zu sein, wird aber schwieriger." Auch wenn Herman van Veen nicht auf der Bühne steht, verschenkt er grosszügig jene Geschichten, die sein Publikum an ihm am meisten liebt: Geschichten, aus denen Lieder, Sketche, Clownereien und TV-Drehbücher wurden. Dann erzählt er von dem "schönen, grausamen Geschenk", das Abraham Mok, Schulleiter an der Montessorischule in Utrecht, dem elfjährigen Herman in die Hände legte: "Er war Jude und Kriegsversehrter, hatte nur noch einen Arm. Und er schenkte mir seine Geige, auf der er nicht mehr spielen konnte. Das hat mein Leben entschieden und bestimmt. Ich wollte es und wollte es nicht, denn diese Geige bedeutete Glück und Schmerz zugleich und hat mich manchmal blind gemacht."


Glück ist die Botschaft

So zeigt ihn auch das Cover der neuen CD: die Geige vors Gesicht gebunden; "nackter Mann hinter Geige", sagt er schmunzelnd. Und übersetzt ins Niederländische. "Was ich dir singen wollte", heisst die aktuelle CD, und sie buchstabiert einmal mehr sein künstlerisches Credo: "Die Botschaft staubt so trocken, wenn das Wort allein sie bringt. Die Wahrheit ist besser zu ertragen, wenn sie klingt." Manch traurige, bittere Wahrheit hat Herman van Veen in 35 Jahren auf der Bühne in zärtlich-melancholischen Evergreens festgehalten. Und viele Seligkeitsmomente: Kinderlachen, Liebesglück, das Staunen über den Flug der Möwen, die ungetrübte Kameradschaft mit dem Hund. "Die Kunst liegt darin, die Dinge so zu sagen und zu singen, wie sie sind. Die Wirklichkeit ist viel fantastischer, als man wahrhaben will", sagt Herman van Veen und fügt nachdenklich hinzu: "Es braucht nur Augen und Mut, etwas zu sehen und zu bekennen."


Schuberts Schneeflocken

Bekenntnisse sind seine Lieder, Glück ihre Botschaft: "Man erreicht dieses Ziel nur, wenn man es nicht hat." So schweben seine Lieder eigenartig zwischen Wohlgefühl und Wehmut, zwischen Schmerz und Herzklopfen. Dabei ist Herman van Veen "Erzrealist": "Ich bin ein unwahrscheinlich praktischer Mann und kann hart arbeiten. Besser als philosophieren", sagt er von sich. Das grösste Glück für ihn? Gesund zu sein. Das grösste Unglück: die Apathie der Menschen. "Wenn täglich Tausende Kinder verhungern, Menschen an Aids sterben, die Natur vergewaltigt wird, dann ist das nicht unser Problem - höchstens, wenn es in den vier Wänden unseres Wohnzimmers stattfindet." Nach mehr als 3000 Konzerten, nach 120 Alben in fünf Sprachen ist Herman van Veen noch lange nicht am Ende seiner Lieder. "Es wird mit den Jahren immer schöner. Das ist wie mit den Menschen: alle, die ich liebe, liebe ich mit der Zeit immer mehr." Dazu zählt er auch Bach, den "Kathedralenbauer", und Franz Schubert, dem er sein Album "Du bist die Ruh" gewidmet hat. "Auch wenn ich traurig singe, bin ich glücklich" - diese Haltung verdankt er dem realistischen Romantiker Schubert. "Schubert hat kapiert, dass jede Schneeflocke anders ist. Und dass man nichts bewahren kann. Dass man sein Lied schreibt für den Fluss und für den Wind. Ein Geschenk für die Natur." So einfach, so poetisch ist die Botschaft. Und so unbarmherzig tröstlich.

Konzerte: 20.3. Schaffhausen, 21.3. Olten, 22.3. Bern, 23.3. Zug, 25.3. Baden, 26.3. Vaduz, 27.3. Wil. Weiter Informationen unter www.kuenstlerkontakt.ch