Birgit Kummer schrieb am 04.02.2003 in der Thüringer Algemeinen Zeitung

Unter einem Hut

Gespräch mit Herman van Veen vor seinen Weimar-Konzerten





"Unter einem Hut" gibt Herman van Veen am 11., 12. und 13. Februar in Weimar in der Weimarhalle drei Konzerte. Es sind seine einzigen Deutschland?Auftritte im ersten Halbjahr, im Herbst sollen noch weitere Konzerte in Köln folgen.

"Unter einem Hut" ? ein neuer Themenabend?

Nein, es ist etwas ganz Persönliches, was ich so noch nie gemacht habe: ein Abend als Reise durch alte und neue Lieder. Ich versuche sehr schön zu singen, denn es wird eine DVD produziert ? also eine Scheibe für die Ewigkeit, mit der, man etwas bewahren kann. Es sind ausnahmslos Titel, die mir sehr am Herzen liegen. Wenn man die Lieder gehört hat, ahnt man, wer dieser Mann auf der Bühne eigentlich ist.

Stört die Kamera?

Wenn ich ihre Bewegungen kenne, ist es kein Problem, Weiß ich nicht, woher sie kommt oder was sie gerade tut, dann wird das nichts.

Van Veen als Sänger ? ist das angesichts Ihrer vielen Talente Ihre liebste Rolle?

Meine Gesundheit - meine Lungen, mein Bauch, mein Herz hängen vom Singen ab. Das ist mein Glück. Ich hoffe, dass es bis 120 anhält. Müsste ich aufhören, würde mein Inneres nicht mehr funktionieren.

Sie werden Im März 58 Jahre alt, die magische 60 rückt langsam näher.

Es ist unvermeidlich, dass ich älter werde, ich brauche nur in den Rasierspiegel zu schauen. Ich habe im Lauf meines Musikerlebens mit 20 verschiedenen Musikern zusammengearbeitet. Vier von ihnen sind schon tot, ich vermisse sie sehr. Meine Eltern sind gestorben. Ich spüre die Zeit. Aber in mir drinnen bin ich noch der Junge von 12, der versucht, hinter den Horizont zu schauen. Obwohl ich inzwischen ahne, was dahinter kommt.

Ihr Publikum ist neugierig geblieben?

Meinen Beruf habe ich lieber denn je. Die Konzerte sind inzwischen eine einzige große Begegnung ? ob ich nun in Tokio, London oder Weimar singe. Ich treffe Leute, die ich vor 30 Jahren getroffen habe, die haben jetzt ihre Kinder dabei. Kürzlich in Antwerpen, es war tiefer Frost, lief eine Frau nach dem Konzert ohne Mantel in die Kälte. Sie merkte es erst nach einigen hundert Metern.

Konstantin Wecker war jüngst im Irak. Wie geht es Ihnen beim Blick auf die Weitlage?

Als der Eiserne Vorhang verschwand, war die Weit verwirrt, der gute alte Feind war weg. Es sieht aus, als ob die alten Strukturen nun wieder aufgebaut werden. Nur sind jetzt nicht mehr die Kommunisten der Gegner, sondern der Islam. Das tut weh. Es scheint, dass man nichts gelernt hat. Sollten die Amerikaner die Uno ignorieren, dann wären wir am Ende. Es wäre ein Präzedenzfall. Ich habe schon sehr heftig gegen die Bombardements in Jugoslawien protestiert, denn auch das war eine sehr einseitige Geschichte. Kein ökonomischer Boykott, sondern ein Boykott mit Vorteilsnahme.

Aber van Veen singt keine flammenden Antikriegslieder.

Nicht so direkt, sondern auf der menschlichen Ebene, mit Beispielen. Wie in dem Wiegenlied, wo es heißt: Gebt den Kriegskindern einen Namen. Wenn die Strukturen konkret werden, wenn sie plötzlich die Namen deiner Kinder tragen, dann ändert sich der Blick. Ich singe Lieder für und über Kinder, über Eltern, die Gesellschaft, die Natur und wie wir miteinander umgehen. Schließlich: Ich bin auch ein besorgter Vater von vier erwachsenen Kindern.

Sie geben viel Geld für soziale Projekte aus. Verfolgen Sie deren Werdegang?

Natürlich, aber wir reden nicht viel drüber. Es sind spezielle, meist kleinere Projekte. Das letzte initiierten wir In Südafrika. Als ich in einem Township war, erzählte ich von meinem bevorstehenden Besuch in einem Wildpark. Kein Mensch um mich herum hatte je. wilde Tiere gesehen. Keine Giraffe, keinen Elefanten. Das muss man sich mal vorstellen. Jetzt haben wir in einem Wildpark eine Schule für Kinder aus den Townships gegründet. Denn wie will man Menschen lehren, die Umwelt zu achten und die Tiere zu schützen, wenn sie Ihnen nie begegnet sind? Außerdem können wir dank der 700 000?Euro-Spende einer anonymen Stiftung schwangere, aidsinfizierte Frauen in einer Klinik behandeln lassen. Damit wenigstens die Babys eine Chance bekommen.

Gespräch: Birgit Kummer