Pierre Dietz schrieb am 04.02.02 im Rüsselsheimer Echo

Aus Musik wird Slapstick, aus Witz Provokation

Herman van Veen - Stehende Ovationen nach Auftritt im Stadttheater



Wer durch die Straßen von Utrecht wandelt, entlang des mitten durch die Stadt führenden Kanals, spürt die besondere Ausstrahlung dieses Ortes. Da ist der Künstler am Ufer, der aus Gips, Metall und Holz seine Werke formt, und gleich gegenüber befindet sich eine Kunst?Galerie direkt unter der Brücke. Der Domturm steht mit seinen 102 Metern Höhe nicht wie andernorts in unmittelbarer Nähe des Gotteshauses, sondern einige Meter weit entfernt. Der Domgarten ist genauso ein Kunstwerk, wie jedes der kleinen Schokotörtchen, die es in den Cafés gibt. So wundert es nicht, dass der Ort unzählige Künstler hervorbrachte, wie den Junker Jacob van Eyck (15891657), der blind die Flöte spielte und auch Herman van Veen (geboren'1,945), der am Freitag ein Gastspiel im Stadttheater gab.

Herman van Veen trat nicht, wie in jungen Jahren, barfuss auf die Bühne, und auch die Hektik von damals hat sich gelegt. Seine Worte waren oft besinnlich und rückblickend, ja leise, doch der Auftritt im Ganzen ein Feuerwerk an musikalischen Glanzleistungen, Clownerien und feinem bis derbem Witz.

Immer wieder verstand van Veen es, seinem überwiegend aus Frauen bestehendem Ensemble Spielraum für Kreativität und Selbstdarstellung zu geben. Selbst seinen Bühnenhelfern gab er Gelegenheit zur musikalischen Teilnahme, seiner isländischen Praktikantin Gesangs? und Sprechrollen.

Aus Musik wurde Slapstick und aus einem Witz Provokation. Alle Gegenstände auf der Bühne waren Instrumente: So gab es eine Zeitung für den Rhythmus, Kisten mit integrierten Elektrotrommeln und sogar einen ganzen Tisch mit diversen Perkussions. Selbst imaginäre Instrumente mussten herhalten, so spielte Herman van Veen beispielsweise Panflöte auf seinen Fingern und imitierte die Töne mit seiner Stimme.

Der musikalische Magier aus Holland, zum zweiten Mal nach 1984 in Rüsselsheim zu Gast, verzauberte sein Publikum unter dem Motto "Was ich Dir singen wollte" mit einem unglaublichen Repertoire an Stimmlagen. Immer wieder erzählte er aber auch von den Stationen seines Lebens, von Menschen, die er kannte oder kennt, von deren Lebensweisheiten oder Witzen. "Siehst du den Mond?", hatte er seinen Vater gefragt. Dessen Antwort: "Ja mein Sohn, aber du hättest ihn vor dem Krieg sehen sollen." So verbindet van Veen Tragik mit Humor, Musik mit Schauspielkunst und vollzieht den Wechsel in gesteuerter Häufigkeit zu einem Gesamtkunstwerk. Das Publikum dankte ihm mit stehenden Ovationen.