Marc Heinz schrieb am 03.12.2005 im General-Anzeiger


Eine Traumwelt von Musik und Illusion

BEETHOVENHALLE Besinnlicher Herman van Veen

Der Vorhang ist noch geschlossen und die ersten Klaviertöne sind schon zu hören. Die meisten Zuschauer in der ausverkauften Beethovenhalle wissen nicht, dass dies bereits ein Bestandteil der Illusion des Herman van Veen ist, einer Traumwelt aus Musik und Emotion, in die er die Anwesenden volle drei Stunden entführen wird. Als der Blick auf die Bühne frei wird, erhebt er sich gerade vom Pianohocker. Klavierspielen kann er also auch. Er hat sich die kindliche Unbekümmertheit bewahrt und lebt sie in seinen Konzerten aus, diesmal unter dem Motto "Hut ab!" Doch warum sieben Hüte? Van Veen erklärt es mit den Worten von Fernando Pessoa: "Der größte Künstler sollte nicht nur eine Persönlichkeit haben dürfen."

Van Veen scherzt, doch er meint es ernst, singt zeitkritisch zum Thema Irak und im nächsten Moment liest er von einem Zettel vor, dass sich ein Kind im Publikum das Lied "Warum bin so fröhlich" für den Opa wünscht. Am Flügel sitzt, seit nunmehr 43 Jahren, Erik van der Wurff, ein kleiner Kerl mit grauen langen Haaren und Spitzbärtchen, Für ein besonders schönes Solo bekommt Van der Wurff sogar ein Küsschen auf die Halbglatze.

Der Moldawier Oleg Fateev entlockt seinem Akkordeon jazzige Tone aus Frankreich und Middle East. In vielen Arrangements schwingt jiddisches Kulturgut mit. "Hermansan" erzählt von schmerzhaften Erfahrungen in Japan und die hervorragende Edith Leerkes schlägt an der Akustikgitarre spanische Folklore an, Sie harmoniert mit Percussionistin Wieke Garcia und Jannemien Cnossen an der Violine.

Mit aufgeknöpftem Hemd und hochgezogener Unterhose wirkt van Veen weniger sexy als lächerlich. Neben all den Blödeleien überwiegen im neuen Liveprogramm die nachdenklichen Passagen. In einem Stück aus "Windekind", einer Ode an Selma Meerbaum-Eisinger, singt er mit Leerkes Texte eines Mädchens, das im Konzentrationslager starb, "Ich trage sie im Herzen, denn irgendwo zischen den Wörtern gibt es sie noch."