Christine Bilger schrieb am 3.04.2001 in der Leonberger Kreiszeitung

Die klingende Wahrheit des Poeten

Herman van Veen singt von der Liebe und von Schutzengeln, die resignieren



LEONBERG
Was ist er denn nun eigentlich, dieser Holländer, der da mit seiner Geige, mit seiner Unschuldsmiene und doch schelmisch von der Bühne blickt? Clown, Poet, Philosoph, Liedermacher?

Am Samstag stand, sprang, tanzte und tollte Herman van Veen über die Bühne der Stadthalle. Der Auftritt dieses Mannes gleicht einem Feuerwerk. Hat man sich doch gerade dran gewöhnt, dass er in seinem Lied melancholische Töne anschlägt, schiebt er sogleich einen Witz hinterher, leicht zotig und nicht halb so poetisch wie die soeben verklungenen Liedzeilen.

Herman van Veen ist ruhiger geworden. Er singt viel von der Liebe, mal den Tränen nahe, dann wieder mit einem Augenzwinkern. "Du bist schön, nicht schöner, Du bist anders schön" etwa ist eine jener Zeilen, in der der Liebende seine Gefühle zu verpacken versteht. Die gleichen Worte folgen auf Französisch und auf Holländisch, eine grenzüberschreitende Liebeserklärung jenseits der Sprachlosigkeit. Der Liebende ist aber auch Sohn: Im vergangenen Jahr starben van Veens Eltern, und doch: Auf der Bühne sind sie wieder da. Das Mobilisieren klingelt in der Hosentasche, und zärtlich spricht der Sohn mit seiner Mutter. Das Telefon wird zur Mundharmonika, die Akkorde darauf leiten über zu "Sprich mit mir". Eine Offenbarung vor dem Publikum über die Beziehung zu den Eltern: Sprich mit mir, niemand außer Dir kann mich verstehn. "

Und dennoch: Immer noch kann van Veen beißend sein. "Kyrie eleison'' singen die Musikerinnen im Hintergrund, während er all jene Verlorenen und Vergessenen aufzählt, für die er nicht singen kann. "Gibt es einen Jüngsten Tag? Dann bitte möglichst bald", fragt er in "Engel werden alt" (Text: Heinz Rudolf Kunze). Was ist das für eine Welt, in der ein Utrechter von Schutzengeln singt, die resignieren? Doch halt, da sind sie wieder, die Freude, der Spaß an den Momenten: Der Geschichtenerzähler liest aus seiner Kindheit, er erzählt vom ersten Besuch mit seinem Vater im Badehaus.

Am Schluss wird van Veen unermüdlich. Ein ums andre Mal gelingt es dem begeisterten Publikum in der ausverkauften Stadthalle, ihn und seine Musiker wieder auf die Bühne zu bitten. Und obwohl der 56-Jährige mittlerweile seit drei Stunden musiziert, merkt man ihm bis zum letzten Ton die überwältigende Freude an seiner Sprache, der Musik an. Was am Schluss bleibt, ist die Erkenntnis: "Die Wahrheit ist viel besser zu begreifen, wenn sie klingt', eine Zeile aus "Was ich Dir singen wollte" - so nennt Herman van Veen auch seine derzeit laufende Tour. Und damit sie klingt, die Wahrheit, steht mit ihm eine Hand voll überragender Musiker auf der Bühne: Erik van der Wurff (Klavier), Edith Leerkes (Gitarre), Jann und Maria Paula Majoor (Violine), Thomas Dirks (Bass) und Wieke Garcia (Perkussion). "Ich bin nur ein Sänger. Darum bin ich hier", endet ",Was ich Dir singen wollte."



Christine Bilger





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