ECK schreef 2 april 2000 in Kolnische Rundschau


Aus dem Utrechter Vogelviertel

Freitags geht es nach der Lohntüte mit dem Vater ins Badehaus. Wenn gekocht wird, kullern von den Küchenwänden Tränen. Die Wohnung war einfach und eine wimmelige Idylle zwischen Originalen in Hinterhöfen: "Oben ein Klo mit Holzdeckel und einem Loch, das unserer Meinung nach in China endete - soo tief, soo lange dauerte es, bevor man sein Häufchen plumpsen hörte."

Hermann van Veen, der Lieder-Erzähler aus den Niederlanden, erzählt in seiner Auto-biografie "Das Leben ist ein Wunder" keineswegs die Chronologie seiner Existenz. Wer hätte das auch erwartet! Der Entertainer, Sänger. Dramatiker, Kinderbuchautor etc. ist immer schon für seine poetischen Querdenkereien geliebt worden, und so geraten auch seine "persönlichen Bekenntnisse" zu einer Art literarischem Puzzlespiel mit authentischen Steinchen.

Der Lehrer "Erlkönig", Mijnheer de Boorder, ist ein Deutscher, der für die 13-jährigen Knaben als erstes eine Schubert-Platte auflegt. Sie alle hassen die Deutschen, aber wie er den "Erlkönig" als das Böse schlechthin interpretiert, das fasziniert sie. Aus dem Vogelviertcl in Utrecht erreichen den Leser kleine Geschichten und Gedichte, sogar ein Brief an Gott, der anfängt mit:
"Wie geht es ihnen? Mir geht es sehr gut." Darauf folgt eine höchst eigenwillige Interpretation des Gleichnisses von Adam und Eva.
Bei all der emotionalen Offenheit bleibt Hermann van Veen jedoch eher zugeknöpft, was das sogenannte Private angeht. Von einer geschmissenen Bewerbung um eine Gesangsrolle wird berichtet, bei der der Sänger sich schlichtweg selbst verleugnet, aus Angst, weil Jacques Brei unten im Parkett sitzen könnte. Vom Mauerfall wird berichtet, der bei van Veen als wenig originelle Innerlichkeits-Prosa daher kommt. Ja, von der Verlobung mit Mareijke schreibt Hermann, seiner Jugendliebe, der er sich schon im Kindergarten versprochen hat. Und dass er sie vielleicht auch ein bisschen deshalb geheiratet hat, weil der Schwiegervater "ein Meister im Genießen" war und man darauf achten muss, welcher Familie man sich verbindet.
"Kaum von der Schule, war ich schon Vater von zwei Kindern", erfährt man, und, dass Hermann van Veen, der Preisgekrönte und mit dem Bundesverdienstkreuz Dekorierte, zum 50. Geburtstag Boxershorts mit Mickey Mouse bekommen hat. Schön ist auch die Geschichte von der Bombendrohung beim Konzert in Wuppertal.

Er hat trotzdem gespielt und nachts darauf von einer Explosion geträumt, bei der er gestorben sei.
Alles in allem scheint dieses Buch nur dafür gemacht, den Sympathieträger noch sympathischer zu machen. Das Leben erzählt er als tragikomisches Gleichnis mit tiefem Sinn, in dem selbst die Banalitäten abgrundtief tiefsinnig werden, eck Hermann van Veen: Das Leben ist ein Wunder. Deutsch von Thomas Woitkewitsch, Christoph Links Verlag.