Heilbronne Stimme
Leonore Welzin

Gereifter, weiser Poet und Philosoph

2 februari 2002

Offensichtlich unter Entzugserscheinungen litt das Heilbronner Publikum: Zwanzig Jahre ohne die Legende Herman van Veen. Ein Harlekin, der die Einfachheit eines Straßenmusikanten mit der Professionalität eines Showmasters so kongenial vereint.

Nun entluden sich beim lang ersehnten Wiedersehen die Emotionen in nicht enden wollenden Ovationen - das Konzert in der Harmonie dauerte drei volle Stunden. Ganz in schwarz, mit offenen Hemdsärmeln, und obgleich die Haare weißer und spärlicher geworden sind, hat er, gereift zum weisen Mann, das gewisse Etwas, die undefinierbare Zärtlichkeit eines uralten Kindes, das sich wundert, inzwischen Opa geworden zu sein.

An seine Kindergartenverliebtheit erinnert, zaubert der Poet und Philosoph auf seinen angefeuchteten Fingerspitzen ohne Instrument die Töne einer Panflöte. Er plaudert entwaffnend offen, liest, erzählt und singt, etwa vom ersten Gang ins Badehaus, gemeinsam mit dem Vater, der unter der Dusche "All the chapellbells are ringing" trällert. Jedes einzelne Stück ist nicht nur sinnfällig getextet und arrangiert, sondern auch sorgfältig inszeniert.

Synkopierte Melancholie, wenn Papierboote in die Jugend fahren, hintergründiges Augenzwinkern, wenn Walter von der Vogelweide neu arrangiert wird, Karibiksound und Kyrie. Der Niederländer mit den wasserblauen Augen lebt in einer Welt aus Klang und weiß um deren Wirkung: "Mit Tönen stellt sich ein, was keinem Alphabet gelingt - die Wahrheit ist viel besser zu ertragen, wenn sie klingt".

Ein humoresker Höhepunkt ist die heiter-ironische Opernparodie, die sterbende Sopranistin, der Bariton, der vor lauter entblößter Brust und aufgeblähter Selbstgefälligkeit den Text vergessen hat. Getoppt vom Tenorwitzchen: " Wussten Sie, wie der Tenor Selbstmord macht? Er stürzt sich von seinem Ego und fällt mitten in seinen IQ." Die sanfte Art, das Stimmungsbarometer auf Hoch zu bringen.

Begleitet am Piano von seinem Weggenossen Erik van der Wurff, mit dem einst die Ein-Mann-Show begann, singen und swingen mit sanftem Hüftschwung drei sensationell erotische Grazien: Edith Leerkes, Virtuosin auf der klassischen Gitarre, Jann - mit einer Stimme, die erschauern lässt - auf der Geige und Wieke Garcia mit einer Instrumentenpalette von mittelalterlicher Drehleier, Harfe über galizischen Dudelsack bis hin zu Rasseln, Tamburin und anderen Schlaginstrumenten.

Wenn die ganze Gruppe in ekstatische Trommelrhythmen taucht, ist auch das Publikum am Siedepunkt angelangt. Schlussendlich hilft ein Wink mit dem Zaunpfahl: "Wenn Sie jetzt nach Hause fahren, fahren Sie bitte durch die Böschung, auf der Straße passieren die meisten Unfälle!"