Konrad Wegener schrieb am 01.1.2005 im Nordkurier




Wechselbäder aus Lachen und Weinen und kein Frieden mit dem Krieg


KONZERT In der Neubrandenburg Stadthalle sang Herman van Veen über die Liebe, den Krieg und über sein eigenes Leben.


Neubrandenburg. Da oben steht ein Mann und singt über Gott und die Welt. Tiefsinnig, unberechenbar, gerade noch urkomisch und unvermittelt todtraurig. Das Lachen bleibt im Halse stecken und formt sich zu einem Kloß. Da unten sitzt das Publikum und wird in kneippscher Manier mit Wechselbädern aus Lachen und Weinen behandelt. Wenn man sich bei Herman van Veen auf etwas verlassen kann, dann darauf, dass man sich auf nichts verlassen kann.

Schon in den ersten Minuten taucht der Krieg als nimmermüder Begleiter der Weltgeschichte in den Liedern auf. Zuerst noch als Rückblick auf die eigene Kindheit - van Veen ist Jahrgang 1945 -, doch der Schwenk in die Gegenwart lässt nicht lange auf sich warten. "Was haben sie euch getan?" fragt er angesichts der Kinder, die eigentlich ihre Schulaufgaben machen sollten, statt dessen aber auf den Straßen von Palästina und Madrid, von Jerusalem und London in Terror und Krieg starben. Selbst Alfred Jodokus Kwak, die immer gut gelaunte kleine Ente, findet plötzlich keine Antwort mehr auf die Frage: "Warum bin ich so fröhlich?" Van Veen, jahrelang Botschafter der Unicef Europa und seit Jahrzehnten engagiert für die Rechte des Kindes, ist niemand, der seinen Frieden gefunden hat, wenn "Väter sich den Krieg erklären". Mag sein, dass er leiser singt, der Zorn ist derselbe geblieben.

Begleitet von erstklassigen Musikern - neben Erik van der Wurff überzeugen vor allem Jann, Wieke Garcia und Edith Leerkes mit fulminanter Spielgewalt und beeindruckenden Soli - macht die "singende Zirkuskirche" (Heinz-Rudolf Kunze über Herman van Veen) über mehr als zweieinhalb Stunden ihrem Namen alle Ehre. Einem unnachahmlichen Solo in Luftpanflöte folgen intensive Betrachtungen über die Unterschiede zwischen Holländern und Deutschen: "Wie macht ein Deutscher eine Auster auf? Er brüllt: Aufmachen!"

Minutenlanger Nachhilfeunterricht in Japanisch sorgt ebenso für Lachsalven wie die AC/DC-Version von "Ich hab' ein zärtliches Gefühl" oder das Zwiegespräch mit Johnny Walker. Immer wieder mit dem eigenen Alter kokettierend - "Als ich jung war, war das Tote Meer nur krank" -, ist sich der Holländer nicht zu schade, sich selbst kräftig durch den Kakao zu ziehen.

Liebe, Tod und Gott - wie ein roter Faden ziehen sie sich durch das künstlerische Leben des Herman van Veen, so auch an diesem Abend. Die schlichte Bilanz: "Was soll ich zum Leben sagen? Solange meine Kehle nicht unter der Erde liegt, wird das Geräusch, das sie macht, dieses sein: Danke!"