LISA VOSS-LOERMANN schreef 1 oktober 2005 in Die Glocke


Poesie, die unter die Haut geht und ins Herz trifft

Ahlen (at).
Der Clown ist in die Jahre gekommen. Da steht jetzt eine Sechs vor der Null. Und als könnte er es selbst kaum glauben, macht Herman van Veen einfach weiter wie bisher. ''"


Wie in den legendären 70er-Jahren, als er auch schon Hallen füllte mit seiner zu Musik gewordenen Poesie. Ein altes Kind, ein junger Greis, ein Entertainer, der den Namen nicht verdient, weil er die Menschen mitten ins Herz trifft. Und das tun Entertainer nicht. Die unterhalten nur. Er aber dringt ihnen unter die Haut mit seinen Liedern, wie am Donnerstagabend in der Stadthalle. 813 begeisterte Fans hatten dort Platz genommen, volles Haus, wie er es gewohnt ist seit über 30 Jahren.

Mit einem Programm, so dicht und eindrucksvoll, so komischbittersüß und prall, wie man es gewohnt ist seit über 30 Jahren. Und mit einer Truppe auf der Bühne, die van Veen auch zu dem macht, was er ist: ein genialer Musiker mit Konservatoriumsausbildung, der seine Leute nach Talent aussucht. Edith Leerkes, grandiose Gitarristin, die einfach alles kann, von klassisch über Klezmer, von klagend bis komisch, stets im Licht, weil immer auf Ton. Erik van der Wulff, seit 40 Jahren der Begleiter am Piano-forte, Jannemien Cnossen, Geigerin mit Stimme, und Wieke Garcia, die nicht nur mit strahlendem Körpereinsatz den Trommeln Unglaubliches entlockt und die Harfe schlägt, sondern auch singt. Und Oleg Fateev, dessen Akkordeon in Schmerz und Freude sich zu überschlagen scheint.

Und der Kontrabass wird mangels Besetzung dann schon mal zur Sitzgelegenheit. Das Musik- und Sprachgenie Herman van Veen - in vier Sprachen präsentiert er sein Programm - überbringt auf dieser Tournee vor allem eine Botschaft:
"Hut ab!" Vor wem oder was aber zieht der manchmal auch traurig wirkende Harlekin, so der Name seiner Produktionsfirma, seinen Hut? Vor allem, was ihm lieb und teuer ist. Die Mutter, die Frau und Geliebte, die Freunde, Familie. und immer wieder die Kinder.

"Was haben denn die Kinder Euch getan?" fragt er die Väter, die sich den Krieg erklären und dabei Schulen, Krankenhäuser, Städte zerstören, Pipelines und Fabriken jedoch verschonen.

"Ein Kind austragen, ist das nicht schwer?" Der letzte Reim:
"Und eh Du Dich versiehst, ist das Kind schon groß." Und dann die Version für Afrika: "Und eh Du Dich versiehst, ist das Kind schon tot." Peng. Gerade haben noch alle geschmunzelt, jetzt lacht niemand mehr. Auch das ist Herman van Veen, der Träumer, der Realist. Und auch "Anne, die anderen Babys habe ich nicht gesehen" zeugt von einer großen Liebe zu Kindern, die auch etwas bewirken will. Die Herman-van-Veen-Stiftung steht für die Rechte der Jüngsten.

Dazwischen immer wieder Anekdoten aus dem wahren Leben, als der kleine Herman nach China wollte und sich in der Schule selbst abmelden sollte, von Onkel Fritz und den Blicken der Mutter. Begeisterung kommt auf, als van Veen den Unterschied von Niederländern und Deutschen erklärt, 100 000 Wohnwagenfahrer gegen einen Bus Jodler aus Rosenheim.
Die Flaggen beider Länder im Arm erklärt er wie es ist, wenn Holland gegen Deutschland spielt. . . Und dann sind sie auch schon bald vorbei, die zweieinhalb Stunden mit dem poetischen Niederländer. Und alle wollen mehr!