Kerstein Joost-Schäfer schreef 1 oktober in de Saarbrücker Zeitung

Ein Teufelsgeiger, der betet



Zwei Abende lang lag das Publikum dem singenden Weisen Hermann van Veen in der Saarbrücker Congresshalle zu Füßen

Da ist etwas zwischen Hermann van Veen und seinen Fans, eine nicht mit dem Verstand, sondern nur mit den Sinnen fassbare Stimmung, die eine fast spirituelle Verbindung zwischen den Künstlern auf der Bühne und denen im Zuschauerraum entstehen lässt. Herman van Veen, der reife Mann mit den jungen wasserblauen Augen, der Magier der Worte, der nachdenkliche Teufelsgeiger und übermütige Clown, der Spezialist des minimalistischen Witzes - er verzauberte zwei Abende lang, am Freitag und am Samstag, die Menschen in der Saarbrücker Congresshalle. "Du bist schön, so anders schön, du bist sanft, so anders sanft, ich lieb dich, so anders ...", eröffnete er sein Konzert am Freitagabend im Dreivierteltakt. Und hat sich mit diesem wunderbaren Liebeslied schon bei den ersten Takten in die Herzen gesungen.

Es sind die vielen Facetten seiner Persönlichkeit, die er schnörkellos und mit entwaffnender Offenheit zeigt, die die Menschen im Saal ergreifen: Etwa sein Gefühl von Trauer und gleichzeitig von Dankbarkeit, wenn er in eindrücklichen szenischen Erinnerungen von den vor wenigen Jahren verstorbenen Eltern erzählt. Ein warmherziger, liebevoller Abschied, der zu Tränen rührt und das Lachen doch in die Seele hineinholt. Droht man eben noch in Sentimentalität zu ertrinken, ist man nahe dran, das Taschentuch herauszufingern, löst van Veen im nächsten Moment die intim-traurige Stimmung mit einer skurrilen Geschichte auf, setzt wie eine Pointe ein verschmitztes Lächeln an das Ende einer tragischen Geschichte, lässt er seine Augen, die eben noch von Schwermut erfüllt waren, schalkhaft blitzen. Herman van Veen singt - und das ja schon seit mehr als dreißig Jahren - mal mit leisen Tönen, dann wieder mit großem Pathos an gegen Verzweiflung und Sinnlosigkeit, bricht auch in seinem neuen Programm mit seiner Musik eine Lanze für die Hoffnung. Mehr noch: Während die Gotteshäuser wenig besucht werden, die Kirchen mit der christlichen Botschaft der Nächstenliebe bei den Menschen kaum noch ankommen, "betet" Hermann van Veen. Steigt vorn auf der Bühne auf einen Stuhl, singt mit erhobenen Armen ein "Kyrie", das viele Predigten und Gebete von der Kanzel herab in den Schatten stellt. Weil all dies wirklich berührt.

Und dann begeistert van Veen wieder mit seiner Spielfreude, wenn er in verschiedenen Rollen singend erklärt - von der sterbenden Sopranistin über den Chor bis zum Heldentenor -, wie prächtig die Oper sein könnte, wenn es keine Sänger gäbe. Und erklärt auch noch flugs, wie der Heldentenor Selbstmord begeht: Indem er sich von seinem Ego stürzt, mitten hinein in seinen IQ. Eine Nummer, die in ihrer gesamten Länge zum Wegwerfen komisch ist.

Bei diesem genialen Niveau mithalten können van Veens Musiker. Auch in der Beziehung zwischen dem Meister und Erik van der Wurff (am Flügel), Edith Leerkes (Gitarre), Jann (Geige), Thomas Dirks (Kontrabaß) und Wiebke Garcia (Harfe und Percussions) ist nämlich diese sonderbare Übereinstimmung zu spüren, die ein perfektes Zusammenspiel, manchmal auch groteske Verfremdungen der Instrumente, möglich machen. Dann werden die Geigenbögen im Duell zu Degen oder die Saiten des Kontrabasses mit Trommelstöcken so traktiert, dass sie im Samba-Rhythmus schwingen. Und Herman van Veen findet zu recht eindeutigen erotischen Bewegungen des Beckens, die man dem in sich Gekehrten, Verinnerlichten gar nicht zugetraut hätte. Immer wieder, in einer spannenden Dramaturgie, liegen Heiterkeit und Tiefsinn dicht beeinander, mischen sich vertraute Melodien mit raffinierten musikalischen Experimenten, paart sich eine bedrückende Realitätsnähe mit Illusion. Georges Moustaki hat einmal über den 55-jährigen Holländer gesagt: "Herman, ich erkenne in dir die Weisheit des Hofnarren, die Brutalität des Moralisten, während du vorgibst, nur das Ziel zu verfolgen, uns zu unterhalten." Wie Recht Moustaki hat.



Kerstin Joost-Schäfer





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