Detlef Borchers schreef in 1995???? in Zeit.de

Bulkware: Van Veen hat es gewußt





Als vor fünfzehn Jahren Gracia Patricia, Fürstin von Monaco, bei einem Autounfall ums Leben kam, konnten die Medien die Angelegenheit noch unter sich ausmachen. Nun aber, da Lady Diana, die zweite Herzensprinzessin der Boulevardpresse verunglückt ist, hallt auch das Internet wider von der Totenklage Hunderter, die aufwendige Gedenkseiten mit Photos und Gedichten errichtet haben. Zahllose Kondolenzbücher in englischer, spanischer oder auch polnischer Sprache liegen aus. Und weil das Internet ein schnelles Medium ist und zu prompten Reaktionen herausfordert, ist es auch schon zu Streitereien unter den Beiträgern gekommen. Manchen mißfiel es, wie andere ihre Trauer äußerten, dritte mischten sich schlichtend ein, und schon war die Pietät vorübergehend außer Kraft. Schon jetzt aber sind mehr Web-Seiten für Lady Diana zu verzeichnen, als je für Gracia Patricia geschaffen wurden.

Der Unfall rief auch die Verschwörungstheoretiker auf den Plan, von denen es im Internet seit jeher wimmelt. Schon eine Viertelstunde nach der offiziellen Nachricht ging in Australien die erste von vielen Web-Seiten ans Netz, die sich den Ungereimtheiten des Unfalls widmen. Der Autor bezweifelte, daß Diana wirklich die bestmögliche medizinische Versorgung zuteil wurde. Auch gäbe es Anzeichen dafür, daß jemand den Wagen der Prinzessin mit einem Schuß in den Reifen attackiert habe - ein Racheakt der Windsors?

Das ist noch harmlos, verglichen mit anderen Paranoikern. Die meinen zum Beispiel, auf den Photos vom Unfallort seltsame Lichtreflexe ausmachen zu können - mithin den Beweis, daß Lady Diana von einem Ufo abgeholt und nach Alpha Centauri überführt worden sei. Auch der holländische Sänger Hermann van Veen gibt ihnen zu düsteren Mutmaßungen Anlaß. Er war zufällig vergangenes Jahr am 31. August mit einem Lied aufgetreten, in dem er den Tod von Lady Di just an diesem Tag besang. Daß sie genau ein Jahr später tatsächlich starb, ist für manche Verschwörungsfreaks ein Beweis dafür, daß van Veen damals eine Botschaft der Illuminaten verkündet habe.

Auch die traditionellen Medien, die von Diana gut gelebt haben, lernen das Internet zu schätzen. Der Herausgeber des amerikanischen Revolverblattes "National Enquirer" hatte kurz nach dem Unfall lauthals verkündet, die berüchtigten Photos der Paparazzi seien ihm angeboten worden, er habe aber selbstverständlich abgelehnt. Gleichzeitig lag die neueste Nummer seiner Zeitung an den Kiosken. Schlagzeile: "Di goes sex-mad: I Can't Get Enough". Es war zu spät gewesen, die Auslieferung zu stoppen. Nur auf der Web-Seite der Zeitung konnte die Titelseite noch entschärft werden. Dort wurde die Schlagzeile mit einem großen medaillonförmigen Gedächtnisphoto der Prinzessin diskret abgeblendet. Nur wer die Druckausgabe gesehen hatte, wußte, welcher Text darunter begraben lag.

Was ist aber nun mit den ominösen Photos? Schon bald war das Gerücht aufgekommen, sie seien längst im Netz zu sehen. Eine Adresse kann bisher freilich niemand angeben. Derweil trifft die allgemeine Empörung über die Photographen auch Unbeteiligte: Etwa die kolumbianische Lebensversicherung Cupocredito, die im World Wide Web unter der Adresse www. paparazzi.com vertreten ist. Erst hatte die Firma auf ihren Web-Seiten noch beteuert, sie habe mit den Schnappschußjägern rein gar nichts zu tun - allein, es half nichts mehr. Vergangene Woche schaltete sie ihren Netzrechner ab, weil der Andrang von Neugierigen zu groß war. Eine unschuldige Spedition in den USA hat ihren Server ebenfalls vom Netz nehmen müssen. Ihr Name: Diana Transports (www. diana.com).