Eva-Elisabeth Fischer schrieb November 1985 in der Süddeutschen Zeitung

Clown, Sänger, Zauberer

Herman van Veen im Deutschen Theater



Er hat die schönsten blauen Augen der Welt. Mit denen guckt er einen an, leicht melancholisch, als säße man wirklich ganz allein im Parkett - wie jene Julia, die einen Abend lang seine persönliche Gesprächspartnerin ist. Van Veen zu lauschen, brauchte man die liebende Schulter zum Anlehnen, auf dass die Seele noch intensiver gestreichelt werde. Herman van Veen ist auch mit 40 noch ein lieber Junge. Auch wenn ihm das Nachdenken über die Lebensmitte als kriselndes Bonmot über die Lippen kommt. "Mit 40 soll man in sich gehen - und nie mehr zurückkommen."

Sodann macht sich priesterliche Stimmung breit. Der Fiedler mit der tänzerischen Wippe in Hüfte und Knie vergräbt seine Hände noch ein bisschen tiefer in den Hosentaschen. Herman, das Seelchen, predigt sanft über eine mörderische katholische Kirche und den gar nicht lieben Gott, der auf Erden nichts verhindert. Lässt auch wissen, dass Apartheid ein holländisches Wort ist. Als Guru betet er seine Lebensphilosophie. Herman ist ein guter Mensch, und man darf ihm nichts übel nehmen. Denn aus den blauen Augen leuchtet Ehrlichkeit.
Wie Mehltau senkt sich seine Botschaft auf ein gebannt lauschendes Publikum herab, und man atmet auf, dass es auch noch den anderen Herman gibt, den zärtlichen Clown, der mit seinem Unsinn alle Erwachsenen in Kinder verwandelt.
Herman, der sich nicht am Pingpong-Ball verschluckt, der Zauberer. "Ich hab' ein zärtliches Gefühl" heißt eines seiner schönsten Lieder. Und diese Zärtlichkeit schwingt mit, wenn er mit roter Clownsnase auf der Stirn "Die Krähe" vom Schubert Franz singt und auch noch, wenn er sich vom pelvisrüttelnden Stripper in den Tenniscrack B.B. verwandelt. Im Zeitlupen-Solomatch stimmt dann zum Vergnügen des Betrachters jede winzige Geste. Mit feinen Nuancen fängt er sein Publikum, das er so gut kennt. Und das ist entzückt über die Ente Quak. Man muss ihn lieb haben, den Clown, den Sänger, den Zauberer Herman. Ach, ließe er nur den zeigefingerschwingenden Moralisten zu Hause! Als ob sein hinreißender Unsinn nicht genüge, ein Publikum der Stunden lang zu vergnügen.
(Bis zum 23.November)



Eva-Elisabeth Fischer





terug naar de index