Ute Büsing schreef maart 1995 in GALA
„Ich bin ein Clown - weil ich kein Soldat sein will"
Kabarettist, Entertainer, Performer, Liedermacher, Clown - Herman van Veen
einzuordnen fällt schwer.
Beim GALA- Interview war deshalb auch die erste Frage an das holländische
Allround-Genie:
WAS sind Sie eigentlich?
Herman van Veen: Ich bin ein engagierter Künstler, dessen Denken durch seine
Herkunft aus einer Utrechter Arbeiterfamilie und das 68er-Milieu geprägt ist.
Ein Clown, der von menschlichen Leidenschaften, enttäuschten Erwartungen und
unerfüllten Erwartungen und unerfüllten Sehnsüchten erzählt, aber auch von der
Lust am Leben. Vor 25 Jahren konnte man einen Mann nicht sagen lassen: „Ich
hab’ ein zärtliches Gefühl", da galt der schon als schwul. Ich habe es dennoch
gesungen .... Heute benutzt sogar die Klopapier-Werbung solche Sprüche.
„Ich bin ein Clown - weil ich kein Soldat sein will"
Gala: Ihre Musik liegt immer quer zum Trend der Zeit. Absicht?
Van Veen: Ja, ich versuche, mich den Moden zu verweigern, mir selbst treu zu
bleiben. Klar, daß ich immer Probleme hatte, mich durchzusetzen. Noch nie in
30 Jahren ist eines meiner Konzerte vollständig ausgestrahlt worden. Deshalb
gibt es mich eigentlich gar nicht...
Gala: Wieso? Sie füllen doch unentwegt Konzerthallen. Sie haben rund 60 Alben
eingespielt, Tourneen durch alle Erdteil unternommen und mit der Trickserie
„Alfred Jodocus Kwak" internationalen Erfolg gehabt! Sie kennt doch jedes
Kind!
Van Veen (lacht): Neulich war ich an er Internationalen Schule in New York.
Als Abschiedsgeschenk bekamen die Kinder „Jodocus-Kwak" - Videokassetten. Da
waren die ganz enttäuscht, weil sie die längst hatten!
Es stimmt schon, daß mein Publikum zu mir hält. Aber im Showgeschäft, wo alles
in den Händen von Bonzen ist, bin ich mit meiner eignen Produktionsfirma
„Harlekijn" oldfashioned. In Deutschland können wir z. B. immer noch nicht in
Theatern spielen wie in Holland oder Belgien, sondern sind auf öde
Mehrzweckarenen angewiesen ...
Gala: Sie sind gerade 50 geworden und immer noch 200 Tage im Jahr auf Tour.
Wie halten Sie das durch?
Van Veen: Na ja, ich kann abends nach dem Konzert nicht mehr so lange mit
Menschen zusammensitzen, wenn ich am nächsten Morgen früh aufstehen muß. Meine
Zeit ist noch kostbarer geworden. Manchmal muß ich mich selbst zur Ordnung
rufen: „Herman, du bist jetzt 50!" Ich habe keine Angst vor dem Tod, aber
davor, das Leben zu verlieren. Mich beschleicht das Gefühl, daß ich die
Zukunft schon hinter mit habe.
Gala: Als UNICEF - Botschafter haben Sie sich jahrelang für Kinder in der
dritten Welt engagiert; heute schocken Sie Ihr Publikum mit Liedern zum
Balkankrieg, oder Sie beschreiben Jung-Nazis in der Provinz mit beißender
Ironie. Sind Sie ein Weltverbesserer??
Van Veen: Ich habe nie den Glauben gehabt, daß ein Lied die Welt verändern
kann. Es kann nur helfen, Bewußtsein zu entwickeln ... Ameisen und Kakerlaken
haben ein kollektives Bewußtsein, Menschen nicht. Vielleicht sind die Menschen
ja ein tödliches Virus, eine Beleidigung für den Schöpfer der Erde. Denken Sie
an die Zerstörung des tropischen Regenwaldes! Solange Menschen nicht kapieren,
was sie der Erde antun, werden Utopien immer bleiben. Trotzdem: Ein Maler
malt, weil er kein Soldat sein will!
Gala: Ihre Auftritte wirken wie lockere Bühnenspaziergänge. Routine ?
Van Veen: Nein, Titel, Themen. Programme entsprechen immer dem Moment. Es gibt
keine kalkulierten Gefühlsausbrüche, ich reagiere immer auf die Stimmung des
Publikums. Aber wenn ich dann singe, bin ich die Ruhe selbst, ganz eins mit
Gott und der Welt. Ein Gefühl, daß ich sonst nur im Garten habe.
Gala: Apropos: Sie leben mit Ihrer Familie und Hund in Utrecht ...
Van Veen: Mein Zuhause ist ein wichtiger Rückzugsort. Wir haben vier Kinder.
Auch an meinem Vater und meiner Mutter hänge ich sehr. Die sitzen in jeder
Stadt, in jedem Land als Ehrengäste in meinen Premieren. Ihnen verdanke ich
meine Sensibilität, meine Aufrichtigkeit, mein soziales Gewissen, das
„zärtliche Gefühl". Die beiden haben so eine absolute Beziehung zueinander,
geben einander Ruhe.
Gala: Für Ihr Publikum sind Sie wie ein guter Freund. Kann der „liebe Herman"
auch böse sein?
Van Veen: Mein Manko ist meine wahnsinnige Ungeduld: Ich weiß, wo’s langgeht
und kann kaum die Zeit ertragen, die andere brauchen, um auch dorthin zu
kommen.
Ute Büsing - GALA - März 1995
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