Humphrey Gokart schreef in februari 1984 in Live - Das Essener Stadtmagazin
Die Bombe fiel doch
Er ging so, wie er gekommen war: Mit einem Lächeln im Gesicht, der Geige in der Hand
und einem Scherz auf den Lippen. Mitten durch die bis auf den letzten Platz besetzten
Ränge des Essener Saalbaus.
In den Herzen seiner Fans jedoch, die drei Stunden lang
eine Show voller Ehrlichkeit, Temperament und Engagement mitfühlen und miterleben
durften, hatte er wieder einmal so manche Flamme der Zärtlichkeit entfacht:
Herman van Veen, der sensible „Harlekijn" aus dem benachbarten Land der Windmühlen,
hielt, was sein aktuelles Programm versprach, seine „Signale" waren wie so oft schon
unüberhörbar.
Sie rüttelten wach, stießen vor den Kopf und stimmten nachdenklich, ja
oft genug betroffen. Doch ein „Schubladen-Etikett" läßt sich der holländische
Entertainer immer noch nicht auf die lichte Stirn drücken: Hier Liedermacher, da
Clown, hier Kabarettist, da Pantomime, mal mitreißend rockig am Schlagzeug, mal
mit einem waschechten und dennoch karikierten Blues am Klavier - Herman van Veen
gönnt seinen Fans, geschweige denn sich selbst, keine ruhige Minute zum Durchatmen.
Und inmitten dieses perfekten Musik- und Tanztheaters, vollendet durch Hermans
wahnsinnige Stimmakrobatik als eigenes Ausdrucksmittel, immer wieder diese
höchstpolitischen und doch zutiefst persönlichen Lieder zu Problemen dieser
Weltkugel, die mal rot, mal gelb über die Bühne schwebt.
Wenn Herman singt,
hört man im Publikum eine Stecknadel fallen. „Wer hat den Ernst in Dein
Gesicht gebracht, wer hat das Licht gelöscht in Dir ?" Mit der unnachahmlichen
Gabe, seine eigene Gänsehaut zuzugeben, ruft van Veen zu mehr Mut und
Nächstenliebe auf - ein Lied, das sich so manch einer ins längst
verstaubte Poesiealbum schreiben sollte. Und das Paradestück klassischer
deutscher Polit-Kabaretts, „Mein Vater wird gesucht", stellt Herman an den
Anfang eines aktuellen Liedes, das bewegend politischen Fememord und
menschenverachtende Diktatur des Jahres 1984 aufweist: Für die
Verfolgten dieser Welt bittet er „Gebt ein Zeichen, ein Signal,
daß Beharrlichkeit zum Ziele führt und ihr Schicksal uns berührt."
Doch dazwischen wieder Clownereien, zu den stets präzisen Rhythmen
seiner Band, (Erik van der Wurff/Keyboards; Nard Reijnders/Sax Klarinette
Akkordeon; Chris Lookers/Gitarre; Cees van der Laarse/Bass) läßt der
Entertainer Pantomime sprechen: Mal als Polizist, mal als Herman van Veen,
mal als draufgesetzter Bräutigam „spielt" er vor einem in gleißendes Licht
getauchten Spiegelkabinett Bahnhofs-Atmosphäre. Man spürt förmlich,
daß Herman nicht nur Liedermacher ist, sondern auch Spaß am Humor eines
Jango Edwards oder Otto Waalkes hat (Übrigens: Die Bombe fiel doch! Auch
wenn seine im Saal verteilte Zeitung in „Bild"-Lettern schwarz auf weiß
das Gegenteil verkündet - („Die Bombe fällt nie"), läßt der zur Pause
aufsteigende Atompilz die Parolen aller „sogenannten Friedenspolitiker"
im ohrenbetäubenden Lärm verstummen.
Humphrey Gokart
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