in heft 2 / 2002 van GolfWelt stond


"Ich bin ein Clown, aber sie plaudern mit einem ernsten Mann!"




Herman van Veen hatte uns gewarnt: "Wenn du mich jetzt fragst ,Wie geht es dir?' Hast du Text für fünf Ausgaben!" Wir schlugen die Warnung in den Wind, und Herman entfachte einen Sturm. Denn er war zornig, zornig auf die Verlogenheit, mit der Politiker sich aus ihrer Verantwortung herausstehlen, vertuschen und ihr besseres Wissen nicht dazu nutzen, etwas zu tun. "Wenn jeder den anderen respektiert, kann es keinen Krieg geben. Ich glaube, dass der Mensch gut ist, aber es gibt Situationen, in denen ich daran zweifle. Und das ist tragisch."

Die Komik und Leichtigkeit des Entertainments für Kinder und Erwachsene, die Herman van Veen nicht zuletzt mit seiner Kunstfigur Alfred J. Kwaks vermittelt, geht immer einher mit dem aufklärerischen Anspruch, hinter die Dinge zu schauen. "Alfred ist für mich das Kind, von dem ich die Mutter nicht kenne." Geboren wurde die inzwischen weltweit bekannte Figur am Küchenfenster, wo Herman den Enten in seinem Garten zuschaute. Den Namen bekam sie am nächsten Tag, als er sich mit einem Anwalt namens Alfred Bioiek traf. Und ihre Persönlichkeit schöpft sie aus einer einzigen Frage: Warum? Dieses anscheinend so simple Konzept holt auch die komplexesten Probleme auf eine Ebene, auf der sie der Gefahr des gesunden Menschenverstandes ausgesetzt sind. Und auf dieser Ebene setzen auch Hermans Lieder an: "Ich versuche als Sänger, als Mensch oder als Idiot ohne Zynismus zu erklären, dass es andere Wege gibt, auch wenn ich weiß, dass ich den Krieg nicht wegsingen kann."

Wenige Tage vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs geboren, von den existenziellen Nöten der Nachkriegszeit und von der Begegnung mit Überlebenden des NS-Regimes geprägt, wird Herman nie vergessen, dass ihm ein alter kranker Mann, der aus dem KZ kam, seine Geige schenkte. "Ein belastendes Geschenk", denn mit diesem Instrument trat er die Nachfolge eines Geigers an, der nie wieder würde spielen können. Herman spielte, er gründete das Musiktheater Harlekijn, nahm 120 CDs in fünf Sprachen auf, wurde von der niederländischen Königin zum Ritter des Ordens von Oranje Nassau ernannt und mit dem Verdienstkreuz am Bande von der Bundesrepublik geehrt, aber die wichtigsten Schätze in seinem Gepäck sind die Erinnerungen, die zu formen und weiterzugeben er als Verpflichtung versteht. Und auch in seiner Stiftung, der Herman van Veen Foundation gibt er etwas weiter, was ihm wichtig ist, indem er jungen Menschen in aller Welt hilft, ihre Talente zu entfalten. Der 57-jährige Vater von vier Kindern, der sich seit seiner Jugend in Entwicklungsprojekten ("was für ein ungemütliches Wort") engagiert, errichtete 1997 gemeinsam mit Ron van Eeden und Maarten Sikking in Südafrika einen Fond, der aus Konzerttourneen, Spenden und Golfturnieren Zuflüsse erhält.

In Holland werden die "Harlekijn Geschlossen" bereits seit Jahren ausgetragen, in Deutschland findet dieses Jahr erstmalig zum zehnjährigen Bestehen des GC Haus Bey ein Turnier statt. Unter organisatorischer Federführung von Hans-Werner Neske wird am 6. Juli im deutsch-niederländischen Grenzgebiet das Fußball- Kriegsbeil mit dem Golfschläger begraben. Mit von der Partie sind niederländische und deutsche Fußbaiistars, aber auch Show-Stars wie Rudi Carrell - und natürlich Herman van Veen, der seit ca. dreißig Jahren Golf spielt, aber schon viel früher ein Auge für Golfbälle hatte. Denn er wohnte mit seinen Eltern am Rande einer Golfanlage und sammelte - nehmen wir mal an aus ökologischen Gründen - die verlorenen Bälle kurzerhand ein. Heute spielt Herman, Mitglied in Nunspeet und seinem Heimatort Soest, fünf- oder sechsmal im Jahr, am liebsten mit seinem Sohn. Denn auf dem Platz finden Gespräche statt, wie sie sonst nicht zu haben sind. Und Golf ist für Herman nun einmal kein Sport und ein gesellschaftliches Ereignis schon gar nicht, dafür aber ein soziales Vergnügen, bei dem es um die Menschen geht und das Spiel nur den Rahmen stellt. Die "Want-to-be"-Gesellschaft, in der das Gefühl und auch das Selbstwert-Gefühl zurücksteht hinter dem Bestreben, so zu sein wie jemand anders, ist Herman von Veen fremd: "Ich ähnle nicht!"

Die Glaubwürdigkeit seiner Freude und die Tiefe seiner Trauer hat deshalb etwas so Ursprüngliches, dass man meint, er habe sich ein Stück Kindheit erhalten -und sei es in dem sensiblen Umgang mit der Erinnerung. "Ich bin nicht schwul, aber ich wollte immer ein Mädchen sein, liebte Blumen, spielte Geige und fühle mich heute noch manchmal wie das einzige Mädchen zwischen Männern." Welcher Mann wäre Mann's genug, das zu sagen?