Enten-Star Alfred Jodocus Kwak Wolfgang Seppelt schrieb 1987 in der Zeitschrift "Unterhaltungskunst" (DDR)...


Herman van Veen

Herman van Veen ist zu Gast!


Diese Ankündigung ist mittlerweile keine Seltenheit mehr. Gelobt sei es. Diesmal wurde für sechs Abende im September (und drei Nachmittage dazu) das Berliner Ensemble zum Opernhaus umfunktioniert. Was nur auf den ersten Blick verwundern kann, denn selbst der geistige Gründer des Ensembles benutzte in parodistischer Weise das Operngenre zur Verwirklichung seiner dramatischen Intentionen.
Und wenn dann solch ein Universal-Barde wie der Holländer Herman van Veen seinen Thespiskarren auf den Brettern am Schiffbauerdamm aufschlägt, um eine Kinderoper vorzuführen, dann wird die "zweckentfremdete" Bühne schon ihre künstlerische Genugtuung erfahren.
Allerdings: die wirklichen Formen der Oper benutzt van Veen in seinem Werk "Die seltsamen Abenteuer des Alfred Jodocus Quak" wohl kaum. Eher kann es als musikalische Märchenfabel, als Songstück bezeichnet werden, worin Lied und musikalische Parodie, Ein-Mann-Kabarett und reale Dialoghandlungen zu einem poetischen Ganzen verschmelzen und wo trotz der Reibung an den (nun mal existierenden) Genregrenzen ein ästhetisch-harmonisches Gesamtgebilde erwächst.
Van Veens Multitalent bündelt diese Vielschichtigkeit und seine scheinbar unbegrenzten Fähigkeiten als Sänger, Instrumentalist, Schauspieler, Pantomime, Tänzer, und seine souveräne Beherrschung clownesker Mittel transportierten Story vom hilfreichen Enterich Quak unterhaltsam und erkenntnisreich für jung und alt.

Unterstützt wird der Entertainer dabei von einem 16köpfigen "Philharmonischen Orchester", dessen Leitung dem langjährigen musikalischen Mitstreiter Erik van der Wurff obliegt. Beide zeichnen auch als Autoren des Werkes verantwortlich, das mit undidaktischem Gestus von der Kraft kleiner und schwacher Wesen erzählt, die - im Bündnis erstarkt - Artgenossen Hilfe zukommen lassen, die in Not geraten sind. Hier formuliert sich auch van Veens Botschaft, solidarisch und gemeinsam handelnd, eine gerechtere Welt zu schaffen. Und dies nun wird vorgeführt: Alfred Jodocus Quak erfährt per Zeitung vom Ohne-Wasser-Land und bittet den Maulwurf, einen Kanal zu graben, damit die Tiere dort nicht verdursten müssen. Das dafür e benötigte Geld erwirtschaftet er mit einer Entengrütze-Erntemaschine. Der schmarotzende König erhält Kunde von der Barschaft seines Untertanen Quak und leiht sich diese aus, um weiterhin sorglos in Limonade baden zu können. Natürlich vergisst er die Rückzahlung. Quak macht sich auf den abenteuerlichen Weg zum König und gewinnt unterwegs wichtige Freunde wie den Fuchs, die lange Leiter, das Flüsschen und die Bienen. Gemeinsam bewähltigen sie alle Gefahren am Königshof.
Schließlich krönen ihn die Tiere zum gerechten König, und er Bau des Kanals kann beginnen.
Musikalisch entäußert sich die Fabel in einem durchgängig volksliedhaft-klassischen Kinderlied-Stil, der passagenweise Momente des Pop, Jazz und der Oper aufnimmt. Die klassische Bandbesetzung ermöglicht ein (exzellent dargebotenes) herb-reizvolles Klangbild zwischen kammermusikalischer Transparenz und rhythmisch zeitgemäßen Abläufen. Das der Humor in Form musikalischer Parodie und Wortwitz nicht hintenansteht, dafür sorgt der Spiritus rector des Unternehmens mit seinen zahlreichen Rollen. Ob nun im offenen Clinch mit Musikchef van der Wurff oder als watschelnder, singender Enterich ("Ich bin zwar klein, doch ich bin auf zack"), ob als genüsslich mit der Macht spielender König oder clownesker Vokalartist - van Veens vielseitige theatralische und musikalische Zeichensetzung pointiert originell das poesievoll amüsante Spiel. Auch bekannte Lieder wie "Warst du dagegen" und "Ich hab ein zärtliches Gefühl" ordnet der Künstler geschickt in das dramaturgische Konzept ein. Und die Moral von der Geschicht: Borge deinem König nicht!

Als Zugabe beschließt Herman van Veen den "Kinderopernabend" dann noch mit einer Reihe neuer Songs, die zumeist auf der jüngsten bei AMIGA erschienenen LP "Auf dem Weg zu dir" zu finden sind. Und dies als Rezensionszugabe: Auf dem Wege zu seinem Publikum geht van Veen zuweilen nicht nur auf der Bühne ungewöhnliche Wege. Während der LP-Autogrammstunde des Musikhauses Zelter im Berliner Nicolaiviertel stieg er kurzentschlossen auf den Balkon des Hauses, um für Hunderte seiner Anhänger a cappella zu singen. Herman van Veen: ein Troubadour der Jetztzeit.


Wolfgang Seppelt