Günter Görtz schrieb 1987 in "Neues Deutschland", Berlin (DDR)...




Vergnüglich-lehrreiche Abenteuer der Ente Quak

Kinderoper von und mit Herman van Veen im BE
Vogelzwitschern und Entenschnattern empfängt die Besucher im Berliner Ensemble. Auf dem Programm steht bis zum 27. September die Kinderoper "die seltsamen Abenteuer der Ente Alfred Jodocus Quak" von und mit Herman van Veen.

Die Bühne ist schwarz ausgehängt. In der Mitte eine Treppe mit rotem Teppich. Rechts und links Notenpulte und Stühle für die 16 Musikanten um Bandleader und Mitautor Erik van der Wurff. Und schon marschieren die Musikanten von hinten durch den Saal auf die Bühne - mit Geige, Flöte, Saxophon, Tuba, Gitarre, Triangel und anderen Instrumenten ausgerüstet. Dann Herman van Veen.

Der stürmische Begrüßungsapplaus zeigt, welche Popularität der Künstler auch bei uns genießt. Seine DDR-Gastspiele und Schallplatteneinspielungen bei AMIGA haben viel dazu beigetragen.
Nun also stellt er seine 1979 uraufgeführte Kinderoper bei uns vor. Ein Kinderprogramm? Es ist gleichermaßen eines für Erwachsene, denn mit den Augen der Kinder lässt van Veen Kritikwürdiges und Ermutigendes aus der Erwachsenenwelt vergnüglich an uns vorüberziehen.

Zu Beginn ein Lied, das auf treffende Weise van Veens Credo umreißt: "Ich hab ein zärtliches Gefühl". Er engagiert sich für die Schwachen und Hilfebedürftigen, bekennt sich zu jenen, die für ihre Ideale einstehen.
Dann lässt er das Mikrofon zum Telefonhörer werden, um ein fiktives Gespräch mit seinem daheim gebliebenen Kind zu führen. Gelegenheit für den Sänger, Komponisten, Autor, Pantomimen und Clown, jüngst gewonnene Eindrücke, Empfindungen mitzuteilen. Als Abendgruß aus der Ferne erzählt er dem Kind dann von der Ente Alfred Jodocus Quak. Für anderthalb Stunden brilliert der Künstler in vielen Rollen, fasziniert er mit der Vielseitigkeit seiner Ausdrucksmittel. In allem spürt man: Herman van Veen liebt die Menschen, ist erfüllt von tätigem Humanismus.

Von tanzenden Akteuren in diversen phantasievollen Tierkostümen unterstützt, berichtet van Veen über die Erlebnisse des Alfred Jodocus Quak. Dieser Enterich erfährt, dass es Länder gibt, wo seine Artgenossen durch Wassermangel sterben müssen. Er sammelt Geld, um mit seinem Freund, dem Maulwurf, einen Kanal bauen zu können, damit Wasser in die Trockengebiete fließe.
Aber der König, dessen Staatskasse leer ist, erfährt vom Geld der Ente, "leiht" es sich, um weiter prassen zu können. Als der Regent die Schulden nicht zurückzahlt, macht sich Alfred Jodocus Quak auf den Weg, es zurückzufordern. Unterwegs hat er manches Abenteuer zu bestehen, trifft er auf Freunde, die mit ihm ziehen; Fuchs, Fluß, eine lange Leiter, Bienen. Gemeinsam bestehen sie Gefahren. Der König wird davongejagt und Alfred Jodocus Quak an seiner Statt gekrönt. Die Ente sorgt nun dafür, allen ein bisschen mehr Glück zu verschaffen. Ein versöhnlicher Schluß, der für van Veens Hoffnung steht: Die Welt ist durch Handeln zu bessern.

Weder der dramaturgische Aufbau noch die verwendeten musikalischen Mittel lassen sich mit landläufigen Vorstellungen des Genres Oper messen. Eigentlich ist es eine märchenhaft-realistische Musikerzählung. Zuschauer, Erwachsene wie Kinder, geben sich bereitwillig ihrem poesievollen Zauber hin.

Lieder wechseln mit Dialogszenen, die der sensible Komödiant gleichfalls allein betreitet. Das musikalische Spektrum ist breit, schließt auch bekannte van-Veen-Titel ein wie "Warst du dagegen", enthält Kinderlieder, Jazziges bis hin zu Parodien von Opernstücken. Auch das Publikum darf mitspielen, so zum Beispiel wenn es beim Entenlied einstimmt in den Refrain "Ich bin zwar klein, doch - ich bin auf Zack". Das Stück wird als Gleichnis verstanden, als ein Anklage gegen das Schmarotzertum, als ein Aufforderung zu Toleranz und Solidarität.

Zum Schluß dann viele, viele Blumen für den Mann aus dem Land der Tulpen. Er bedankt sich eine halbe Stunde lang mit Zugaben, bringt - den Text noch vom Blatt lesend - vorwiegend neue Lieder. Darunter eines, das er mit Heinz Rudolf Kunze für einen Film schrieb, in dem er gemeinsam mit Gisela May spielte. Diese Interpretin gehörte an dem Abend übrigens zu dem eifrig applaudierenden und mitsingenden Publikum.



GÜNTER GÖRTZ