Bernd Leukert schreef in 1979 in de Frankfurter Allgemeine Zeitung
Ich habe es schön gesagt
Ein Trommelschlag eröffnet das Programm, die Band (Posaune, Flöte,
Saxophon/Klarinette, Tuba, Keyboards) beginnt zu spielen, und während
an einem dünnen Faden ein Mikrophonständer in die Mitte der Bühne
gezogen wird, marschiert Herman van Veen trommelnd aus der Tiefe der
Jahrhunderthalle durchs Publikum auf die Bühne und verteilt zu seinen
Füßen buntes Konfetti aus mitgeführten Kindenstiefel. Applaus. Der
effektvolle Anfang bedeutet nichts anderes als: Ich, Herman van Veen,
bin da.
,,Wäre ich doch nur falsch verbunden", heißt es im folgenden Lied,
und:
,,Du hast Augen mit Blick auf das Meer". Da ist die Rede von Brust
und Po und davon, daß beides das Liebesverhältnis nicht hat tragen
können. Eine Parodle auf Schuberts ,,Erlkönig" wird unterbrochen vom
Monolog eines Waschlappens, dem die schmutzigen Körperstellen zuwider
sind. Van Veens Humor zielt auf die schnellen Lacher, und über den
erwähnten Schmutz lacht man bei uns besonders schnell. ,,Der Präsident
zog sich zurück - aus seiner Mätresse", das ist die eine Seite des
Entertainers, eine andere besteht aus aphoristischen Vorträgen und
akrobatischen Slapsticks der Art, auf die Kinder sehr gern und heftig
reagieren.
Dazwischen spannt sich ein weiter Bogen aus Tanz, Spiel und Chanson.
Themen: das kriecherische Leben (,,Hier bin ich Hund, hier darf ich's
sein«), das Leben einer Hausfrau (die zum Staubtuch wird), Drogensucht,
die
Ausbeutung Afrikas. Daruntergestreut sind Weisheiten wie: ,,Zeugen sind
selten Helden, echte Helden bezeugen selten" und ,,Warum tut es weh zu
erkennen, was die Wahrheit ist und was Lüge? Die Macht der Gewohnheit."
oder Tränenseeliges: ,,Ich lieb' dich noch".
In seinen Kompositionen verläßt sich Herman van Veen auf die beruhigende
Wirkung des Gewöhnlichen. Das aber und alles andere, was er tut, beherrscht
er perfekt. Er geht virtuos mit den Show-Effekten um, weiß treffsicher das
Geflüster, den Schrei, die Pause, den Donner und die sprühenden Feuerkerzen
einzusetzen, ohne, daß diese Elemente über ihren zirzensischen Zusammenhang
hinausweisen würden. Kurz: Er ist ein Unterhaltungskünstler par excellence,
der keine Mühe hat, sich unter der
dicken Oberfläche des Show-Materials zu verbergen. ,,Was es auch sei«, heißt
es in einem seiner Texte, ,,ich habe es schön gesagt."
Es gibt inzwischen eine ganze Reihe niederländischer Künstler (wie etwa Moniek
und Michel, die genau vor einem Jahr in Frankfurt waren), die mit den (ihnen
suspekt gewordenen) Präsentationsformen des Varietés nur noch umgehen, um sie
aggressiv zu durchbrechen und die desolaten Unverbindlichkeiten des Genres
fruchtbar gegen die Erwartungen des Publikums zu wenden. Herman van Veen dagegen
entwickelt sie affirmativ weiten Und das Publikum in der Jahrhunderthalle begrüßte
das dankbar.
BERND LEUKERT
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