Bettina Ahrenholz schreef rond 1975 in Das Magazine (DDR)

Ein Clown ohne Maske





Er war also da, an zwei Abenden, hatte 5 000 Zuschauer und Zuhörer im Palast der Republik, Hermann van Veen aus Holland. Ein Clown ohne Maske, zärtlicher Sänger, bissiger Parodist, trefflicher Ironiker, artistischer Pantomime, empfindsamer Musiker. So vielfältig das, was er besingt, so vielfältig seine Möglichkeiten, betroffen und lachen zu machen. Sicher, weil er die Menschen während der zwei, drei Stunden seines Programms die schweren und die leichten Dinge des Lebens spüren läßt, die es für jeden bereithält. Und selten wird einem so bewußtgemacht, daß Tragisches und Komisches tatsächlich immer dicht nebeneinanderstehen.

Herman van Veen ist ein politischer Mensch, ein Moralist und Humanist. Im Oktober 1981 sang er in Amsterdam vor den 450000 Teilnehmern des Friedensmarsches. "Noch nie zuvor", sagte er, "habe ich vor so vielen Menschen gesungen. Bei uns in Westeuropa sind die Leute wirklich ängstlich, so ängstlich, daß man keine Lust mehr hat, Lust zu haben. Ich möchte mit meiner Kunst Energie vermitteln, positive Energie, positive Kollektivität." Und er schafft es.

Nach 15 Jahren auf der Bühne, nach 18 Schallplatten, nach Fernsehserien für Kinder, nach einem Spielfilm, nach Thea terstücken und Büchern, nach Gastspielen in Belgien, der BRD, in Frankreich, der Schweiz, Österreich, Skandinavien, England und Japan, nach Mitarbeit in der UNICEF und Engagement für die Grün-_ düng einer Hilfsorganisation für die Entwicklungsländer findet er noch die Kraft, sich ständig zu erneuern. "Ich bin wie eine Pflanze, die das Licht sucht." Er bleibt verletzbar und bewahrt sich die Fähigkeit zum Mitleiden. Sein Respekt vor dem Leben und das ,,Über-all-Ohr-Sein" haben damit zu , tun, daß er immer noch neu- gierig ist. Für ihn ist die Erde ein perfektes Angebot, das die Menschen nutzen müssen. Diesem Gedanken ist untergeordnet, was er macht.

Ein Erlebnis auch, mit Herman van Veen im Gespräch zu sein. Er handhabt gekonnt die deutsche Sprache, setzt poetische Bilder, gefällt sich in großen Gesten. Er strahlt Missionarisches aus. 21 Jahre wohnte er im Utrechter Vogelviertel zwischen Arbeitern, Straßen- : mädchen und Studenten. Von den Eltern hat er Wärme und Geborgenheit empfangen, davon zehrt er heute noch. Sein Vater rief ihn an, als er hörte, daß er in die DDR fährt, und sagte: "Herman, sei spontan." Er war's, der Mann, der singt: ; "Ich hab' ein zärtliches Ge-fühl, für jede Frau, für jeden Mann..."


Bettina Ahrenholz